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Die Jaeger der Nacht

Die Jaeger der Nacht

Titel: Die Jaeger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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einem betrunkenen Schlagzeuger.
    Die Kuppel ist noch nicht im Boden versunken; ich zeige immer wieder mit dem Finger darauf und befehle: Jetzt, aber sie rührt sich nicht. Jetzt. Nichts. Die Glaswände stehen unverrückbar.
    Auf halber Strecke spüre ich ein summendes Vibrieren im Boden, zunächst kaum merklich, dann unverkennbar. Die Wände der Kuppel sinken herab. Das Licht der Morgenröte spiegelt sich in dem Glas und tanzt in bunten Bändern aus allen möglichen Farben über die Ebene. Dann verblassen die Lichter und das Summen verstummt. Die Kuppel ist verschwunden.
    Etwa hundert Meter von dem Teich entfernt bleibe ich stehen und warte. Ich will kein Risiko eingehen. Obwohl sie mittlerweile von mir wissen, könnten sie (zumindest das Hepra-Mädchen) immer noch aus ihren Hütten gestürmt kommen, um ihre Speere auf mich zu schleudern. Das ist die Sache mit diesen Hepra: Sie sind so unberechenbar wie wild gewordene Zootiere. Dann geht die Tür einer Lehmhütte langsam auf. Ein männliches Hepra – jünger als ich – tritt schlaftrunken und auf wackeligen, steifen Beinen heraus und stolpert zum Teich. Es sieht mich nicht, sondern blinzelt ins helle Sonnenlicht.
    Erst nachdem es sich Wasser ins Gesicht gespritzt und in den Mund geschöpft hat, schweift sein Blick zu mir. Sofort lässt es die Arme sinken, das Wasser aus seinen Händen platscht vor seine Füße. Eilig tritt es den Rückzug zu den Lehmhütten an, bleibt jedoch plötzlich stehen, als hätte es sich besonnen. Es blickt sich um, sieht, dass ich immer noch dastehe und mich keinen Zentimeter bewegt habe.
    Ich hebe meine offene Hand, um ihm zu vermitteln: Ich will dir nichts tun.
    Es dreht sich um und will flüchten.
    »Warte! Bleib stehen!«
    Und es bleibt stehen, sieht sich erneut um, die Augen aufgerissen, die Miene angsterfüllt. Aber auch neugierig. Wie bei dem Hepra-Mädchen gestern sind seine Gefühle unverstellt in seinem Gesicht zu lesen – wie bei einem Tier im Zoo, das sich ohne Scham vor spottenden Besuchern am Hinterteil kratzt. Diese Mimik: so ausdrucksstark und fließend wie ein Wasserfall. Es starrt mich mit großen Augen an.
    »Sissy!«, ruft es und ich trete ein paar Schritte zurück. Schockiert. Das Ding spricht. »Sissy!«, wiederholt es lauter und mit klarer Betonung, selbst bei diesem kurzen Wort.
    »Nein, ich …«, stottere ich, unsicher, was ich sagen soll. Sissy? Wieso nennt es mich so?
    »Sissy«, ruft es drängend, als würde es um Hilfe rufen.
    »Ich verstehe dich nicht«, sage ich. »Ich will bloß Wasser.« Ich zeige auf den Teich. »Was-ser.«
    »Sissy«, ruft es noch einmal und die Tür einer Lehmhütte fliegt auf. Es ist das Hepra-Mädchen. Leicht zerzaust reibt es sich den Schlaf aus den Augen und erfasst mit wachem Blick die Lage. Es sieht mich an, lässt den Blick an mir vorbei, hinter mich wandern und schaut wieder mich an.
    »Es ist in Ordnung, David«, sagt es zu dem ersten Hepra. »Weißt du nicht mehr, was ich dir gestern gesagt habe? Er tut uns nichts. Er ist wie wir.«
    Ich bin wie vom Donner gerührt. Diese Hepra sprechen! Sie sind intelligent, keine Wilden.
    Das Mädchen kommt mit langen, selbstsicheren Schritten auf mich zu. Als es an den Hütten vorbeigeht, öffnen sich weitere Türen, weitere Hepra treten heraus und folgen. Vor dem Teich bleibt es stehen. »Stimmt’s?«, fragt es und starrt mich an.
    Ich kann nur zurückstarren.
    »Stimmt’s?«, wiederholt es und erst jetzt bemerke ich die lange Axt in seiner rechten Hand.
    »Stimmt«, sage ich.
    Wir starren uns lange gegenseitig an.
    »Bist du wieder gekommen, um zu trinken?«, fragt es.
    »Ja.«
    Eine Gruppe von vier Hepra – alle männlich – hat sich hinter dem Mädchen versammelt und starrt mich an. Ich sehe sie miteinander flüstern, dann nicken sie.
    »Bedien dich«, sagt das Hepra-Mädchen.
    Mein Durst treibt mich voran. Ich knie am Rand des Teichs und schöpfe Wasser mit den Händen, ohne die anderen, vor allem das Hepra-Mädchen, aus den Augen zu lassen. Dann fülle ich meine Flaschen und schraube sie zu. Ich zögere.
    »Ziehst du dich wieder aus?«, fragt es. Das scheint die Gruppe hinter ihr zu entspannen; sie sehen sich mit einem wissenden Lächeln an. »Wenn, vergiss diesmal nicht, deine Unterhose mitzunehmen.«
    Über die Jahre habe ich mir antrainiert, nicht rot zu werden. Aber diesmal lässt es sich nicht verhindern. Eine Hitzewelle erfasst mein Gesicht.
    Die Hepra sehen es und werden plötzlich still. Dann tritt das

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