Die Jaeger der Nacht
abhängen?«
»Also, weißt du, wir …«
»Das Hepra-Rudel in zwei Gruppen spalten und überwältigen? Oder sie zusammenhalten und sich die Gruppenhysterie zunutze machen?«
»Darauf kann ich jetzt wirklich nicht näher eingehen.«
Er schweigt, als würde er darüber nachdenken. »Sag mal«, flüstert er, »habt ihr vielleicht noch ein Plätzchen frei für einen alten Knacker wie mich? In eurem Bündnis, meine ich? Ich hab vielleicht nicht die Muckis, aber ich hab das Hirn. Damit will ich nicht sagen, ihr beide, du und sie, hättet keinen Verstand, aber ich bin mit allen Wassern gewaschen, und so was erreicht man nur durch Erfahrung. Vielleicht kann ich helfen.«
»Weißt du, wir arbeiten lieber in einer kleinen Gruppe. Also, eigentlich nur wir beide.«
»Wie heißt es noch? ›Einer mag überwältigt werden, aber zwei können widerstehen und eine dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei.‹«
»Hör mal, ich weiß nicht.«
Er starrt mich an und sein Blick wird kalt. »Verstehe.« Er wendet sich zum Gehen, zögert und dreht sich noch einmal halb zu mir um.
»Ich weiß so einiges über dich«, sagt er. »Glaub nicht, ich hätte nicht mitgekriegt, wie du neulich nach Hepra gerochen hast. Glaub nicht, ich wüsste nicht, dass du dir irgendwie Hepra-Fleisch verschafft hast. Also, was genau geht da tagsüber in der Bibliothek eigentlich ab, wenn du allein bist? Welchen Zugang zu Hepra-Fleisch hast du dort? Gibt es einen geheimen und illegalen Vorrat, den du entdeckt hast? Solche Informationen könnten herauskommen und dir schaden.« Er schnuppert heftig und zieht die Nüstern zusammen. »Ich kann es immer noch riechen.«
Ein Institutsmitarbeiter nähert sich; Hagermann wirft ihm einen Blick zu und geht weg.
»Ja?«, sage ich zu dem Mitarbeiter.
»Verzeihung. Ich wollte Bescheid sagen, dass dein Anzug fertig ist und in deine Unterkunft geliefert worden ist. Das Abendkleid für deine Begleiterin …«, er wirft einen kurzen Blick zu Ashley June, »… ist ebenfalls in dein Quartier gebracht worden. Auf ihre Bitte hin hat der Direktor ihr erlaubt, sich dort anzukleiden.«
»Okay.«
»Und noch etwas. Wenn ihr von der Bibliothek zu dem Festbankett geht, werden die Medienvertreter am gepflasterten Pfad auf euch warten.«
»Ist das wirklich notwendig?«
»Anweisung des Direktors. Als er erkannt hat, dass ihr beiden als Paar geht, hat er beschlossen, dass ihr einen Auftritt erster Klasse bekommen sollt.«
»Verstehe.«
»Noch eine Sache.«
»Ja?«
»Du und das Mädchen, ihr sollt nicht noch einmal den Tag auf dem Zimmer des anderen verbringen.«
»Woher wissen …«
»Woher wir das wissen, spielt keine Rolle. Aber der Direktor sorgt sich um den Eindruck, der in der Öffentlichkeit entstehen könnte. Bei der starken Medienpräsenz möchte er jeden Anschein von Unschicklichkeiten zwischen den Jägern vermeiden.«
»Das soll wohl ein W…«
»Achtet darauf, dass morgen jeder in seinem eigenen Zimmer aufwacht.«
»Also, ich …«
»Anweisung des Direktors«, sagt er und geht zu Ashley June. Eine kurze und knappe Unterhaltung später verlässt er den Saal.
Als ich an Hagermann vorbeikomme, der jetzt mit Body und Mucki spricht, höre ich, wie er sich mit denselben Sprüchen als Dritter in ihrem Bund empfehlen möchte. Er ist verzweifelt. Er verzehrt sich nach Hepra-Fleisch und braucht dringend Hilfe. Weder das eine noch das andere wird er bekommen, keine Chance. Man sollte ihn im Blick behalten. Man weiß nie, wozu eine Person fähig ist, wenn die Verzweiflung sie packt. Dann ist ihr alles zuzutrauen.
In der Bibliothek ziehen Ashley June und ich uns für das Festbankett um, sie in der Zeitschriftenabteilung, ich bei der Anmeldung. Mein Smoking, der in Plastik gehüllt an einem der freien Regale hängt, passt mir wie angegossen. Er kommt mit allem möglichen Drum und Dran, auf das ich auch hätte verzichten können: mit Diamanten besetzte Manschettenknöpfe und Eisenknöpfe mit dem aufgeprägten Porträt des Herrschers. Trotzdem ist es ein imposanter Anzug, der mir wirklich gut steht.
Ashley June warnt mich quer durch die Bibliothek, ja nicht zu gucken, ehe sie fertig ist. Und sie lässt sich Zeit, viel mehr, als man meiner Meinung nach braucht, um einfach nur seine Kleidung abzulegen und ein maßgeschneidertes Kleid anzuziehen.
Bevor sie fertig ist, klopft es. Ein Gefolge von Institutsmitarbeiterinnen ist angerückt, jede mit einem kleinen Koffer in der Hand. »Make-up«, erklären sie knapp und
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