Die Jaeger der Nacht
Sein Blick bohrt sich in meine Augen. »Sag mir, eins verstehe ich nicht …«
In diesem Moment zerreißt ein katzenartiges Heulen die Stille. Es ist Body. Der Strahl hat sich plötzlich mit einer brutalen Reinheit zugespitzt, ihre baumelnde Hand getroffen und ein Loch in ihre Handfläche gebrannt. Um mich herum bricht lautes Geschrei und Geheul aus, als die anderen aufwachen. Der Direktor baumelt immer noch von der Decke und sieht mich direkt an. Sein Blick zuckt zur Seite, er sieht den geraden und klaren Strahl hinter mir und mich, der ich unbehelligt direkt davor stehe. Außer brennendem Schmerz schleicht sich noch etwas anderes in seinen Blick: ein Verdacht, eine Erkenntnis, eine Anschuldigung.
Ich bin entlarvt, von diesem Lichtstrahl. Ich habe mir alles Mögliche ausgemalt, das mir einmal zum Verhängnis werden könnte. Ein Niesen, Gähnen oder Husten, etwas, das ich nicht kontrollieren kann, ein Verrat meines Körpers.
Aber nicht das: nicht etwas so Simples, so Reines, ja sogar Schönes wie ein Lichtstrahl. Komisch, wie einen die schönen Dinge im Leben am Ende verraten.
Ich mache ein paar Schritte rückwärts, stoße mit dem Fuß gegen die Koffer mit den FLUN s, die quer über den Boden schlittern. Ich blicke auf. Der Direktor ist verschwunden.
Ich höre weitere Schritte und den schweren Aufprall von Körpern, die auf dem Boden landen, Möbel, die hastig verrückt werden, das Kratzen von Nägeln und Krallen auf dem Holzboden – und dann Stille.
Ich warte, spitze die Ohren. Dann höre ich ein lang gezogenes Heulen. Aus dem Ostflügel. Dorthin haben sich alle vor dem Strahl geflüchtet. Getuschel erhebt sich, geschlossen, eindringlich und vorwurfsvoll. Ein einzelner schriller Schrei, nicht aus Angst, sondern voller Begehren, aufgeladen mit Verlangen. Andere stimmen rasch ein. Panik packt mein Herz, noch während ich losrenne. Sie sammeln sich, sie haben es begriffen. Ich muss hier raus!
Ich springe auf. Der Strahl leuchtet jetzt mit voller Kraft wie ein Hochseil, das sich bis zur gegenüberliegenden Wand spannt.
Eine blitzartige Bewegung – irgendetwas kommt auf mich zu, springt über Möbel und Regale. Es ist nur ein Schatten, der sich mit alarmierender Geschwindigkeit abstößt. Body. Mit teuflischem Tempo schießt sie durch die Luft. Auf mich zu.
Ich schließe die Augen. Ich bin tot.
Dann ertönt ein furchtbarer Schrei, gefolgt von einem Zischen und Brandgeruch. Der Sonnenstrahl. Sie ist direkt hineingesprungen und er hat einen tiefen Krater in ihre Brust gerissen. Sie liegt auf der anderen Seite des Strahls auf dem Boden, einen Arm vor die Augen gepresst, den Mund zu einem Schmerzensschrei verzogen, die Lippen verzerrt.
Ich rappele mich hoch, laufe los, stolpere über einen umgestürzten Tisch und sehe im Fallen aus den Augenwinkeln die verschwommenen Umrisse der anderen, die, die Arme schützend vor die Augen gehoben, mit beinahe obszöner Geschwindigkeit auf mich zu rennen. Ihre winselnden, zischenden Schreie schneiden in meine Trommelfelle wie rasiermesserscharfe Fingernägel.
Ich schlage auf dem Boden auf und stoße mir den Kopf an etwas Hartem aus Metall. Blut strömt. Sofort erreicht das Knurren einen neuen Level des Wahnsinns.
Eigenartig synchron springen sie ab, den linken Arm vorm Gesicht, den ausgestreckten rechten auf mich gerichtet, die messerscharfen Nägel ausgefahren. Und dann wird ihr Knurren, noch immer im Gleichklang, zu einem Schrei, als sie in den Strahl fallen und alle zurückgeschleudert werden.
Ein übler Gestank steigt mir in die Nase. Ich muss zusehen, dass ich Land gewinne, doch ich kann mich nur mühsam orientieren, weil das Blut aus einer Platzwunde über der Braue in mein rechtes Auge tropft. Ich wische es mit dem Ärmel ab und sehe, dass die anderen Jäger sich wieder auf die Füße rappeln. Sie zucken unkontrolliert vor Begehren. Der überwältigende Geruch meines frischen Blutes macht sie schier wahnsinnig. Sie kommen erneut auf mich zu, gehen jedoch diesmal klüger vor. Anstatt den Strahl zu durchbrechen, klettern sie an den Wänden hoch und durchqueren den Raum an der Decke.
Das macht mir endgültig Beine, Adrenalin schießt so blitzartig durch meinen Körper, dass ich ihn fast übersehe. Den Koffer mit dem FLUN . Daran habe ich mir den Kopf gestoßen. Und unter dem Koffer liegt das Notizbuch des Forschers. Ohne nachzudenken, packe ich es bei der Bindung, die sich anfühlt wie der dünne Schwanz einer ausgezehrten Ratte, und stopfe es in mein Hemd. Der
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