Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition)
mussten auch selbst etwas dafür tun, dass sie geschützt waren.
„Geht es dir gut?“
Ich zuckte beim Klang der Stimme zusammen. Pater Michael lehnte mit vor der Brust verschränkten Armen an der Wand und beobachtete mich. Ich hasste es, wenn er sich still und heimlich an mich heranschlich, sodass ich wie ein aufgeschrecktes Reh zusammenfuhr.
Ich nickte und warf mir mein Haar wieder zurück nach hinten. „Ja, ja. Alles bestens. Dieser Dan Meyers ist nur so ein Kerl, in dessen Gegenwart Frau sich einfach nur unwohl fühlen kann,“ sagte ich und schüttelte mich übertrieben.
„Mhh,“ gab der Pater von sich, was immer bedeutete, dass ihm etwas nicht gefiel. Er stieß sich von der Wand ab und kam langsam auf mich zu. Eingehend betrachtete er mein Gesicht. „Das ist aber nicht das Einzige. Habe ich Recht? Du hast Zweifel, ob es richtig ist. Ich sehe es dir an. Noch kannst du es beenden,“ sagte er.
Ansatzweise hatte er Recht. Ich hatte Bedenken, ob ich dem Reporter wirklich trauen konnte. Mein Vertrauen in andere Menschen hatte in der Vergangenheit sehr gelitten. Ich wusste aber auch, dass die Menschen in ihrem Wesen nicht alle gleich sind. Dennoch kostete mich diese ganze Sache viel Überwindung, und es war mühsam die Vorurteile abzulegen, die ich über die Jahre hinweg angesammelt hatte. Aber ich wollte es wenigstens versuchen. Schließlich hatte ich ein Ziel vor Augen. „Nein, das geht nicht. Ich weiß, dass du dagegen bist. Aber du weißt von dem Chaos, das in den Straßen herrscht. Und du weißt auch, dass ich das nicht allein bewältigen kann. Es wird immer schlimmer, und wenn ich das für den Rest meines Lebens machen soll, brauche ich Hilfe. Wenn es mehr von uns geben würde, würde es leichter sein. Aber so ist es nun mal nicht. Die Menschen müssen sich selbst schützen können.“
„Auch wenn es bedeutet, dass sie sich des Nachts in ihre Häuser und Wohnungen einschließen und die Stadt dann wie ausgestorben wirkt,“ fügte er hinzu.
Ich nickte und blickte zu ihm auf. „Du tust das doch auch schon seit Jahrhunderten,“ erwiderte ich und sah ihn in Erwartung einer bissigen Antwort an. Ich weiß nicht wieso, aber sie kam nicht. Stattdessen wurde sein Blick weich, und er legte mir einen Arm um die Schulter. „Komm, es wird Zeit fürs Abendessen,“ sagte er und schob uns beide in Richtung des dunklen Vorhangs.
7. Ein Techtelmechtel in der Telefonzelle
Es war etwa zweiundzwanzig Uhr, als ich aus dem Portal heraustrat. Der Himmel war schwarz und übersät mit glitzernden Sternen. Der Anblick war wunderschön und selten. Normalerweise hing der Smog wie eine undurchdringbare Glocke über der Stadt, die es verhinderte so etwas Schönes dort oben zu sehen. Ich atmete tief durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Es war angenehm die kühle Aprilluft durch meine Lungen strömen zu spüren. Man merkte, dass der Winter noch nicht lange her war. Am Tage schien die Sonne und der Himmel war strahlend blau. Aber die Nächte waren immer noch kühl. Ich straffte mich noch einmal und lief dann für eine meiner Patrouillen in die Nacht hinaus.
Wer hätte ahnen können, dass es so ruhig zugehen würde. Stunde um Stunde verging und nichts, aber auch rein gar nichts, geschah. Ich hatte sogar Zeit, mir die Auslagen in den Schaufenstern anzusehen, an denen ich vorbeikam. Ich verspürte eine gewisse Frustration wegen der Zeitverschwendung. Wo steckten die Monster heute nur alle? Vielleicht hatten sie heute einen Feiertag, der es ihnen verbot, ihrer täglichen Arbeit nachzugehen?
Mit einem Seufzer gab ich mich geschlagen und machte mich auf den Heimweg. Ich ging eine etwas andere Strecke zurück und kam an einem Park vorbei. Sonst sprühte dieser am Tage nur so vor Leben. Aber jetzt in der Dunkelheit wirkte er wie tot und ausgestorben. Die wenigen Laternen, deren Licht in Kreisen auf den Boden fiel, konnten an der düsteren Erscheinung nichts ändern. Ich wandte mich von dem Park ab und lief über die Straße. Von weitem sah ich an der Ecke eine Telefonzelle. Es war ein seltener Anblick. Heutzutage gab es nicht mehr viele von ihnen. Im Zeitalter der Mobiltelefone waren sie überflüssig geworden. Das Licht darin war hell, und mit Erstaunen stellte ich fest, dass in der Zelle jemand war. Und als ich näher kam, erkannte ich, dass es zwei Menschen waren. Zuerst dachte ich, es sei ein verliebtes Pärchen, dass es vor Leidenschaft nicht mehr bis nach Hause geschafft und die erstbeste
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