Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition)
wieder die zwei Gestalten auf, deren Antipathien so deutlich zu spüren gewesen waren, dass man sie hätte mit dem Messer durchschneiden können. Unwillkürlich lächelte ich in die Dunkelheit. Ich erinnerte mich daran, wie Mister Meyers’ Gesicht ausgesehen hatte, als ich ihm unser nicht ganz so kleines Reich gezeigt hatte und fragte mich, was er jetzt darüber dachte. Grübelte er noch weiter über alles nach oder schlummerte er schon tief und fest? In meiner ersten Nacht hier unten hatte ich jedenfalls kein einziges Auge zu tun können.
Meine Gedanken wanderten zu unserem Gespräch und zu den intimen Details, die ich über meine erste Nacht mit dem Pater preisgegeben hatte. Ich wusste immer noch nicht, ob es richtig gewesen war, diese Sache zu erzählen, und es verursachte mir Bauchschmerzen, wenn ich daran dachte, dass der Reporter sein Versprechen brechen könnte. Ich hoffte inständig, dass er Wort hielt und niemand davon erfuhr. Auch nicht Pater Michael, der noch nicht wusste, dass ich Mister Meyers so offen gegenüber gewesen war. „Grrr!“, machte ich vor Ärger über mich selbst und setzte mich im Bett auf. Diese Unruhe in meinem Kopf und dem Rest meines Körpers machte mich absolut irre! Ich schlug mit Wucht auf den Schalter der Nachttischlampe. Das Licht blendete meine Augen, die sich schon an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Ich kniff die Augen schnell zusammen und machte sie erst nach ein paar Momenten langsam wieder auf. Nachdenklich blickte ich mich im Zimmer um und überlegte, was ich tun konnte. Am liebsten wäre ich ja in die Bibliothek gegangen. Ich gebe es ja zu. Aber ich wollte mich Pater Michael nicht aufdrängen. Doch dann fiel mein Blick auf meine Hose, die unordentlich auf dem Sessel lag. Mit einem Satz sprang ich aus dem Bett und lief hinüber. Hastig kramte ich in den Taschen herum und fand schließlich das Etwas, was mich schon die ganze Zeit in meinem Unterbewusstsein gerufen hatte: das Ultraschallbild meines Babys. Auf barfüßigen leisen Tippelschritten huschte ich zurück in mein Bett und deckte mich mit der Decke, die noch warm war, zu. Seufzend lehnte ich mich in die Kissen zurück und betrachtete das Bild. Ich konnte das kleine Menschlein, das in mir heranwuchs, einfach nur fassungslos anstarren. Seit dem Moment, als ich es zum ersten Mal gesehen hatte, war es viel wirklicher geworden, und meine schlummernden Mutterinstinkte waren erwacht, was mich gewaltig erschreckte, und ich fragte mich, ob ich Dr. Andersons Angebot, mir den Ausdruck zu geben, nicht besser hätte abschlagen sollen. Eben war es einfach nur ein Wort gewesen. Aber jetzt hatte es ein Gesicht, das vielleicht einmal so aussehen würde wie der Pater. Oder wie ich. Nun ja, ich hoffte mehr auf die Gene des Paters.
Bis zu dem heutigen Tage hatte ich gewusst, dass ich das Kind würde abgeben müssen. Ich war mir so sicher gewesen, dass es mir nicht schwer fallen würde. Ich weiß, es klingt grausam und herzlos. Aber ich hatte so etwas wie Muttergefühle nie verspürt. Ich war nie ausgeflippt, wenn ein Baby in seinem Wagen friedlich vor sich hin sabberte und hatte die Begeisterung der frischgebackenen Mütter über Windeln wechseln und Brei kochen nie verstanden. Aber diese Zeit war nun vorbei. Etwas hatte sich in mir verändert. Mein Herz war aufgegangen, als ich auf den Monitor geblickt hatte. Ein blöder Fehler! Jetzt würde es mir nicht mehr leicht fallen, mein Baby wegzugeben!
39. Schmerzende Worte
So wie ich in den frühen Morgenstunden eingeschlafen war, wachte ich auf. Meine Hand hielt das Bild meines Babys immer noch fest umschlossen. Nicht einmal im Schlaf hatte ich es losgelassen. Ich zuckte erschrocken zusammen, als es plötzlich an die Tür klopfte. Ohne auf meine Antwort zu warten, wurde die Tür geöffnet, und Pater Michael kam ins Zimmer. Er sah völlig zerknittert und zerknirscht aus. Und seine Augen waren ganz klein. Er hatte also nicht viel Schlaf abbekommen. Sogar das morgendliche Rasieren hatte er vergessen, und nun wurde sein Kinn von einem dunklen Schatten umrahmt.
Mein Herz klopfte immer noch wie wild in meiner Brust und meine Wangen fühlten sich heiß an. Ich kam mir vor, als wenn er mich bei etwas Unanständigem erwischt hatte. Gezwungen lächelte ich ihn an und wünschte ihm einen guten Morgen.
„Guten Morgen, Ada. Schön, dass du schon wach bist. Hast du gut geschlafen?“, wollte er wissen und raste durchs Zimmer wie von der Tarantel gestochen, um sich auf die Bettkante zu
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