Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition)
in jener Nacht waren seine Berührungen so sanft gewesen wie das Streicheln einer Feder. Das hatte mich damals am meisten fasziniert. Seine unverhohlene Bewunderung für das, was er zum ersten Mal in seinem Leben betrachtete und berührte.
Mister Meyers akzeptierte und respektierte mein Schweigen. Er hatte wohl auch nicht mit einer Antwort gerechnet. „Haben Sie je daran gezweifelt, dass er wirklich Sie liebt oder doch nur Ihre Ähnlichkeit zu dieser anderen Frau?“
„Nach jener Nacht hatte ich sehr große Zweifel, was seine Absichten anging. An dem Morgen danach erwachte ich allein und als ich ihn dann irgendwann bei der Arbeit fand, wagte er sich kaum, mir in die Augen zu sehen, weil er sich für das schämte, was er getan hatte. Es war ihm unangenehm, dass er sich mir gegenüber so emotional geöffnet hatte, und er verabscheute sich dafür. Ich denke, er verabscheute auch mich in gewisser Weise, weil ich der Mensch war, der ihn schwach gemacht hatte,“ meinte ich zu Mister Meyers und sah, wie er über meine Worte nachdachte.
„Pater Michael sprach kaum mit mir in der nächsten Zeit und verließ den Raum, wenn ich eintrat. Egal, was wir in jener Nacht getan und miteinander geteilt hatten, es zählte von einer Sekunde auf die nächste nichts mehr. Er wollte nicht darüber reden, und es war offensichtlich, dass er die Angelegenheit lieber vergessen wollte. Ich tat es ihm gleich. Ich verlor kein Wort darüber und versuchte ihm ein gutes Beispiel zu sein, indem ich mich ihm gegenüber so normal wie möglich benahm. Es fiel mir sehr schwer, denn sein Verhalten hatte mich sehr verletzt. Es dauerte fast drei Wochen, bis die Spannungen sich etwas lockerten und wir wieder normal miteinander umgehen konnten. Schließlich stellte ich fest, dass ich schwanger war. Da wurde es wieder etwas schwieriger zwischen uns, nachdem ich ihm die schockierende Nachricht überbracht hatte. Heute weiß ich, dass der Pater schon lange vorher tiefe Gefühle für mich gehabt hatte, gegen die er krampfhaft mit den einzigen Waffen angekämpft hatte, die ihm seiner Meinung nach, nur zur Verfügung gestanden hatten: harte Worte, Strenge und viel Distanz. Aber die Dinge änderten sich. Und wenn ich sehe, auf welche Art er mich anblickt, werden meine Zweifel, die selbst heute noch manchmal in mir aufsteigen, sofort im Keim erstickt.“
Mister Meyers nickte und lächelte. „Ich habe es auch gesehen, Miss Pearce. Und ich erkenne einen verliebten Mann, wenn ich ihn sehe. Und Pater Michael liebt sie wirklich!“
Ich musste über diese Worte lächeln. Ich freute mich darüber, dass ein Außenstehender es auch gesehen hatte. „Ich weiß auch, dass mein Wesen anders ist als ihres. Sie war sehr kaltherzig und oberflächlich ihm gegenüber gewesen, und dennoch hatte Pater Michael sie geliebt. Ich bin aber anders, und das ist es, was er an mir mag und letztendlich dazu führte, dass er sich in mich verliebte. Die äußere Ähnlichkeit ist dabei nur Nebensache.”
38. Der Weg unter die Oberfläche
„Wir haben uns ein wenig verquatscht, Mister Meyers,“ meinte ich und deutete zu den Kirchenfenstern hinauf, durch die man erkennen konnte, dass der Himmel dahinter schon schwarz war. Ich erhob mich von der Holzbank und trat in den Gang hinaus. „Ich kann Sie nicht nach Hause begleiten, und ich möchte nicht, dass Sie allein gehen. Daher schlage ich vor, dass Sie heute Nacht hierbleiben,“ erklärte ich ihm in einem Ton, der keine Widerrede duldete.
Mister Meyers sagte auch nichts dazu. Außer: „Dann komme ich ja doch noch dazu, die geheimen Räume zu sehen.“ Er klatschte vor Freude in die Hände und grinste mich breit an.
Ich verdrehte die Augen, konnte aber ein Lächeln nicht unterdrücken. Geduldig wartete ich, bis er seine Sachen zusammengekramt hatte und führte ihn in Pater Michaels Büro und von dort aus durch den Zugang in die unterirdischen Räume. Als er auf der Treppe stand und zum ersten Mal die Weiten, die sich hier auftaten, sah, blieb dem Reporter die Luft weg, und ich hörte nur sein atemloses „Wow! Wow! Wow!“
Vor Staunen achtete er nicht darauf, wo er hintrat, und ich musste ihn am Arm packen und die Treppe hinunter führen. Mister Meyers konnte seine Augen nicht von der höhlenartigen Anlage nehmen, an deren Wänden die hölzernen Gänge befestigt waren, von denen die hohen Türen zu den einzelnen Räumen abgingen. „Halten Sie sich bitte gut fest,“ wies ich ihn an, als wir einen Gang entlang liefen.
Er
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