Die Jaegerin
gewandert und immer wieder zu den Tischen zurückgekehrt. Die Luft vibrierte von unzähligen Stimmen, die den niedrigen Raum erfüllten, doch Daeron hatte das Interesse daran verloren, die Menschen länger zu beobachten. Unterhaltungen, Gelächter und Gejohle verklangen zu einem dumpfen Summen, als seine Sinne die Umgebung immer weiter ausblendeten.
Er war nun seit beinahe einer Woche hier. Gleich nach seiner Ankunft hatte er sich ein Haus gemietet, wo er sich jedoch nur selten aufhielt. Die meiste Zeit war er ruhelos durch die engen Straßen und Gassen Edinburghs gestreift, an den dicht an dicht stehenden zehn oder zwölf Stockwerke hohen Häusern entlanggewandert und hatte versucht eine Entscheidung zu treffen. Sollte er sie aufsuchen?
Für einen Moment lauschte er dem Regen, dessen Prasseln von draußen an sein Ohr drang. Der Regen erinnerte ihn an die erste Zeit nach seiner Umwandlung. Lange Zeit hatte es für ihn kaum mehr gegeben als die Agonie. Jener grauenvolle Schmerz, von dem er geglaubt hatte, er würde seinen Körper zerreißen, und der ihn wünschen ließ, sie hätte ihn sterben lassen. Die Welt war hinter einem fahlgrauen Schleier verborgen gewesen, und wenn er versuchte ihn zu durchdringen, übermannte ihn ein Ansturm auf seine Sinne, der ihn beinahe wahnsinnig werden ließ. Geräusche waren zu laut gewesen, Gerüche zu stark und Licht und Farben so grell, dass es schmerzte. Willens zu sterben, hatte er sich wieder hinter den Schleier zurückgezogen und gewartet, bis es endlich vorüber wäre. Doch die Erlösung war ihm verwehrt geblieben.
Immer wieder war Catherine zu ihm gekommen und hatte versucht ihn mit Tierblut zu nähren. Er hatte es verweigert. Nach einigen Tagen jedoch war der Hunger über ihn gekommen. Catherine schlief zusammengerollt an seiner Seite, da kroch er aus der Ruine und wollte sich an einigen Beeren zu schaffen machen, die davor an einem Strauch wuchsen. Es gelang ihm nicht einmal, die Hand ganz an den Mund heranzuführen. Denn der bloße Gedanke, das Obst zu essen, ließ Übelkeit in ihm aufsteigen. Der Hunger jedoch ließ sich nicht länger unterdrücken. Und je länger er ihn in sich trug, desto mehr wurde ihm bewusst, wonach er sich verzehrte. Blut. Er wollte das Blut, das er so lange verweigert hatte!
Von da an hatte er sich nicht mehr dagegen gewehrt, wenn Catherine ihm Tiere brachte. Hasen, Füchse und manchmal auch Ratten. Er schlug seine Fangzähne in die Kadaver und saugte sie bis auf den letzten Tropfen aus. Anfangs hatte er den metallischen Geschmack als widerlich und abstoßend empfunden. Doch schon bald gewöhnte er sich daran und lernte die Macht des Lebenssaftes zu schätzen. Mit jedem weiteren Tier kehrten seine Kräfte ein Stück mehr zurück.
Catherine war die ganze Zeit über nicht von seiner Seite gewichen. Sie hatte versucht seinen Schmerz zu lindern und ihm die Verzweiflung zu nehmen, die er anfangs angesichts seiner Veränderung empfand. Zugleich war sie ihm aus dem Weg gegangen. Sie weigerte sich, in seiner Gegenwart Nahrung aufzunehmen, und zog sich, nachdem er wieder bei Kräften war, mehr und mehr zurück. Daeron wollte ihr sagen, wie glücklich er war, dass sie nun endlich zusammen sein konnten. Doch Catherine wich all seinen Versuchen, mit ihr zu sprechen, aus.
Eines Nachts war Daeron zum ersten Mal selbst auf die Jagd gegangen. Diesmal begnügte er sich nicht mit Kleintieren. Er erlegte einen Hirsch und labte sich an dessen Blut. Das Gefühl des Triumphes, das ihn dabei überkam, war unbeschreiblich! Niemals zuvor hatte ihn eine derartige Kraft erfüllt!
Durchströmt von einem unglaublichen Hochgefühl war er zurückgekehrt. Catherine war nicht da. Daeron wähnte sie ebenfalls auf der Jagd und wartete auf sie. Doch sie kehrte nicht zurück. Weder in dieser Nacht noch in einer anderen.
Mehr als vier Jahre waren seitdem vergangen. Einen Großteil dieser Zeit hatte er damit verbracht, nach ihr zu suchen. Anfangs hatte er die Highlands rund um das Glen Beag durchstreift, ehe er seine Suche auch auf weiter entfernt liegende Dörfer und Gehöfte ausgeweitet hatte. Nirgendwo gab es den geringsten Hinweis auf ihren Verbleib. Selbst in Inverness und Aberdeen, sogar in Edinburgh war er gewesen. Ohne Erfolg. Schließlich hatte er seine Suche weiter in den Süden nach England ausgedehnt. Im Laufe der Zeit war er vereinzelt auf Spuren anderer Vampyre gestoßen. Grausame, mordende Kreaturen, die allein stehende Gehöfte oder kleinere Ortschaften
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