Die Jaegerin
seine Wange, zu seinem Ohr und dann hinab zu seinem Hals. Genüsslich leckte sie über seine Halsbeuge. Unter der Haut spürte sie die Wärme seines Blutes und den pochenden Herzschlag an ihrer Zungenspitze. So lebendig … Obwohl sie das Liebesspiel mit ihm gerne noch ein wenig genossen hätte, konnte sie sich nicht länger zügeln. Das Verlangen nach seinem Blut war größer als das nach seinem Körper. Während er ihren Rock nach oben schob und seine Hand über die Innenseite ihres Schenkels glitt, schlug sie ihre Zähne in seinen Hals. Ein überraschter Aufschrei kroch aus seinem Mund. Sollte er schreien, so viel er wollte. Niemand würde ihn hören. Sie vermochte es, seine Geräusche ebenso wie ihre eigenen unter einem Schleier der Stille zu verbergen. Furcht beschleunigte seinen Herzschlag, pumpte das warme Blut umso schneller aus seinem Körper und ließ es in ihren Mund sprudeln. William versuchte sich zu befreien, doch er hatte ihrer Kraft nichts entgegenzusetzen. Er war nur ein Mensch, schwach und hilflos. Ganz allmählich schwand das Leben und damit die Wärme aus seinem Leib. Als er in ihren Armen erschlaffte, ließ sie von ihm ab. Wie ein nasser Sack fiel er zu Boden. Während sie sich die letzten warmen Blutstropfen von den Lippen leckte, blickte sie gleichgültig auf Williams Leichnam herab, der sie aus toten Augen anklagend anstarrte.
Catherine Bayne fuhr mit einem Schrei aus dem Schlaf. Der widerwärtige Geschmack von Blut erfüllte ihren Mund, doch gleichzeitig war da auch etwas, das ihre Sinne angenehm erfüllte und ihre Haut prickeln ließ. Sie glaubte das Echo einer Berührung an ihrem Schenkel und ihren Brüsten zu spüren. Die Wärme eines männlichen Körpers, seinen Geruch und seinen Herzschlag … Sie sprang aus dem Bett und stürzte zum Fenster. Mit einem entschiedenen Ruck riss sie die Vorhänge zurück und stieß das Fenster auf. Ein Luftzug fuhr in den Raum und kühlte die Erinnerung an die ungestümen Berührungen ab. Welche Erinnerung! Catherine fuhr sich mit der Hand über die Augen. Es war ein Traum! Nichts weiter als eine Illusion!
Schon seit geraumer Zeit verfolgten sie die Nachtmahre, die jedes Mal mehr an Intensität zu gewinnen schienen. Anfangs waren es nur Bilder gewesen. Szenen der Jagd, die stets damit endeten, dass sie ihre Beute erlegte. Bald jedoch gesellten sich zu den Bildern Geräusche, begleitet von dem Gefühl, nicht länger zu träumen, sondern tatsächlich an jenem Ort zu sein. Sie glaubte berühren zu können, was immer sie sah. Spürte das Kopfsteinpflaster unter ihren Stiefeln und das raue Mauerwerk, wenn sie mit den Klauen darüberfuhr. Der Geruch von Lust, Furcht und Tod lag in der Luft. Eine Mischung, der die Traum-Catherine nur schwer widerstehen konnte. Geschmack und Gerüche verbanden sich mit dem überwältigenden Triumph, den sie verspürte, sobald sie ihre Zähne in den Hals ihres Opfers schlug. Der Albtraum endete jedes Mal auf die gleiche Weise: Der Anblick eines Leichnams ließ sie aufschrecken.
»Was habe ich getan?«, murmelte sie in die Dunkelheit ihres Schlafzimmers. Nichts! Sie hatte nichts getan! Aber wie konnte ein Traum derart real sein? Was, wenn sie doch dort draußen gewesen war? Konnte das, was sie für einen Albtraum halten wollte, die Erinnerung an etwas sein, was ihr Bewusstsein vehement zu verdrängen suchte? Nein! Sie war keine Bestie.
Catherine wandte sich vom Fenster ab und kehrte zu ihrem Bett zurück. Die Dämmerung war noch weit entfernt, dennoch wusste sie, dass sie in dieser Nacht keinen Schlaf mehr finden würde.
3
Daeron ap Fealan blickte nachdenklich auf den Humpen, der vor ihm auf dem Tisch stand. Das Ale darin war längst schal. Egal, er würde es ohnehin nicht anrühren. Schon lange verspürte er kein Bedürfnis mehr nach Nahrung oder Getränken. Es war auch nicht Hunger oder Durst, der ihn nach Einbruch der Dämmerung in das Pub an der Chambers Street getrieben hatte, sondern der Wunsch, der Leere seines Hauses für eine Weile zu entkommen.
Er hatte sich einen Tisch in der Ecke gesucht, von dem aus er den überfüllten Raum gut im Blick hatte. Einige Zeit hatte er die Männer beobachtet, die rauchend und trinkend beisammensaßen und sich lautstark unterhielten. Die einzige Frau im Raum war eine Schankmaid, die geschäftig hin und her hastete und den Männern die Krüge füllte. Eine Weile war Daerons Blick zwischen den schiefen Tischen umhergestreift, über den abgewetzten Holzboden und die rauen Steinwände
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