Die Jaegerin
schwarzen Lettern hängen blieben, die im Zentrum der Seite prangten: Achter blutiger Mord! Der Wahnsinnige Schlächter hat wieder zugeschlagen!
Daeron erhob sich und ging hinüber. »Entschuldigung, darf ich?«, fragte er den Mann und deutete auf die Zeitung. Als dieser nickend eine weitere Qualmwolke ausstieß, griff Daeron nach der Gazette und kehrte damit an seinen Tisch zurück. Der passende Artikel fand sich unmittelbar unter der Schlagzeile.
Edinburgh wird seit einigen Wochen von einer blutigen Mordserie heimgesucht. Mit der Leiche von William Swann wurde gestern das insgesamt achte Opfer im Mary King’s Close aufgefunden.
Vom Wahnsinnigen Schlächter, wie die Menschen den Mörder inzwischen nennen, fehlt jede Spur. Daher werden die Bürger der Stadt Edinburgh aufgefordert, die Straßen bei Nacht weiterhin zu meiden und ihre Fenster und Türen sorgfältig zu verschließen. Die ermittelnden Beamten schweigen bisher über den Fall, dennoch wurde dem Evening Courant aus zuverlässiger Quelle bekannt, dass die Opfer nicht einmal einen einzigen Tropfen Blut im Leib gehabt haben sollen.
Mit gerunzelter Stirn überflog Daeron den Artikel ein weiteres Mal. Es bestand kein Zweifel, in Edinburgh trieben Vampyre ihr Unwesen. Konnte Catherine …? Nein! Nicht Catherine! Sie war keine Mörderin. Kurz nach ihrer Umwandlung hatte er sie sogar zwingen müssen sein Blut zu trinken, um sie am Leben zu halten. Aber inzwischen war die Umwandlung längst vollzogen. Und seit ihrem Verschwinden waren mehr als vier Jahre vergangen. Was, wenn sie sich verändert hatte? Womöglich war sie nicht mehr die Frau, die er gekannt und geliebt hatte. Unwillkürlich schüttelte er den Kopf. Ich bin selbst ein Vampyr. Doch abgesehen davon, dass sein Herz nicht mehr schlug und er sich von Blut ernährte, hatte er sich nicht verändert. Sein Blutdurst hatte ihn nie zum Mörder werden lassen. Er hatte einen anderen Weg gefunden, seinen Hunger zu stillen, ohne dabei jemandem zu schaden. Er konnte sich nur schwer vorstellen, dass es bei Catherine anders sein sollte. Nicht, nachdem sie immer so hart dagegen angekämpft hatte. Es musste eine andere Erklärung für die Morde geben.
Daeron stand auf und brachte die Zeitung zurück. Als er sich umwandte, um wieder zu seinem Platz zu gehen, stieß er mit jemandem zusammen. Er sah nicht einmal hin, dennoch reagierte er blitzschnell und griff zu, ehe sein Gegenüber ins Stolpern geraten konnte. Seine Finger schlossen sich um bestickten Stoff. Der verführerische Duft einer jungen Frau stieg ihm in die Nase. Natürlich und keineswegs von einer aufdringlichen Parfümnote verfälscht. Zweifelsohne nicht die Schankmaid. Nun sah er sein Gegenüber doch an. Sie war beinahe so groß wie er. Das Schwarz ihrer langen Locken fand sich auch in ihren Augen wieder. Beides stand in starkem Kontrast zu ihrer hellen Haut. Die Züge waren fein, beinahe schon aristokratisch, und obwohl sie groß war, ließ sie das fast zerbrechlich wirken. Noch erstaunlicher jedoch war ihre Gewandung. Sie war vermutlich die einzige Frau in Edinburgh, die Hosen trug! Dazu ein Paar spiegelblank polierter schwarzer Reitstiefel, ein weißes Hemd mit Stehkragen und einen blutroten Gehrock aus Brokat, der mit üppigen schwarzen Rankenmustern bestickt war. Über ihrem Hemdkragen entdeckte er ein silbernes Kreuz an einer Kette. Der Anblick des heiligen Symbols gefiel Daeron nicht, dennoch war es nicht nah genug, um ihm wirkliches Unbehagen zu bereiten. »Entschuldigen Sie.« Nachdem er sicher war, dass sie noch immer Herrin ihres Gleichgewichts war, gab er sie frei. »Habe ich Ihnen wehgetan?«
Sie schüttelte den Kopf. »Mir ist nichts passiert.« Ihre Wortwahl war perfekt, dennoch sprach sie einen harten Akzent, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie nicht von hier war. Daeron nahm an, dass sie aus Osteuropa kam. Womöglich aus Transsilvanien oder der Walachei. Sie sagte noch etwas, doch Daeron hörte ihr nicht mehr zu, denn in diesem Moment wurde seine Aufmerksamkeit von drei Männern abgelenkt, die hinter ihr an einem der größeren Tische saßen. Ihre Röcke waren ebenso von Reisestaub überzogen wie die Dreispitze, die vor ihnen auf dem Tisch lagen. Zwei von ihnen beugten sich über eine Ausgabe des Evening Courant und studierten dieselbe Schlagzeile, die Daeron kurz zuvor gelesen hatte. Doch sein Augenmerk galt etwas anderem. Bei einem der Männer, einem breiten, bärtigen Kerl, zeichneten sich unter dem Rock die Umrisse einer
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