Die Jaegerin
sie auf dem Weg hierher passiert hatten.
»Wenden Sie und warten Sie dort zwischen den Bäumen auf mich.«
Ohne zu widersprechen oder auch nur eine einzige Frage zu stellen, tat der brave Mann, wie ihm geheißen war. Alexandra wartete, bis die Kutsche mit den Schatten verschmolz, dann huschte sie geduckt über die Wiese bis hin zur Mauer. Die Steine waren grob behauen und nur dürftig verfugt, sodass es nicht schwer war, Halt zu finden. Geschickt überwand sie die Mauer und sprang auf der anderen Seite, im Schutze eines Baumes, herunter. Sie landete weich auf dem Rasen und hielt geduckt inne, um sich umzusehen. Vor ihr erstreckte sich ein weitläufiger Garten, der immer wieder von Bäumen und Sträuchern durchzogen war. Die Droschke hatte mittlerweile an der Auffahrt vor dem Eingang zum Haupthaus angehalten. Alexandra sah, wie der Vampyr absprang und um eine Hausecke verschwand. Nach wenigen Schritten war er so vollkommen mit der Dunkelheit verschmolzen, dass sie ihn nicht mehr zu erkennen vermochte. Hinter der Deckung von Büschen und Bäumen huschte Alexandra vorwärts, weiter auf das Haus zu. Im Schatten der letzten Baumreihe hielt sie inne. Vor ihr erstreckte sich ein meterlanges Rasenstück, das sich – ohne die geringste Möglichkeit, sich zu verbergen – bis zum Haus hin erstreckte. Alexandra verharrte still, als ein blonder Mann aus der Droschke stieg, den Kutscher bezahlte und die Stufen zum Haupthaus erklomm. Nach wenigen Atemzügen war er im Inneren verschwunden. Der Kutscher wendete sein Gefährt und lenkte es die Auffahrt hinunter, zurück zur Straße. Alexandra nutzte das Rattern der Räder, um sich unbemerkt weiter nach rechts zu bewegen. Ihre Augen suchten die Umgebung neben dem Haus ab – dort, wo der Vampyr in der Dunkelheit verschwunden war. Was hatte er vor? Anfangs hatte sie angenommen, dass es ihm um Nahrung ging. Doch die hätte er auch einfacher haben können, als dass er eine Strecke von mehreren Kilometern auf sich nahm. Es musste einen anderen Grund geben, warum er hier war. Aber welchen? Ihre Augen hefteten sich auf die dunklen Umrisse einiger Nebengebäude, die sich hinter dem Haupthaus erhoben. War dort eine Bewegung? Noch immer hinter den Bäumen verborgen schlich sie näher an jene Stelle heran, an der sie den Vampyr zuletzt gesehen hatte. Am Rande des Weges blieb sie, dicht an den Stamm einer Eiche gepresst, stehen und prüfte die Windrichtung. Erleichtert stellte sie fest, dass der Wind von vorne kam, sodass der Vampyr sie nicht wittern würde. Sie beugte sich ein Stück vor. Hastig wandte sie den Kopf erst nach links, den Weg entlang in Richtung des Hauses, und dann nach rechts, zum Tor. Auf beiden Seiten war nichts zu sehen. Mit schnellen Schritten überquerte sie den Weg und suchte auf der anderen Seite sofort Schutz in einem Gebüsch. Für einen Moment wartete sie und lauschte. Niemand schien sie bemerkt zu haben. Nur noch zwei Schritte trennten sie von der Stelle, an der der Vampyr aus ihrem Blick verschwunden war. Vorsichtig pirschte sie weiter voran, huschte von Deckung zu Deckung und hielt immer wieder inne, um sich davon zu überzeugen, dass sie nach wie vor unbemerkt geblieben war. Um nicht von jemandem, der zufällig aus einem der Fenster blickte, entdeckt zu werden, hielt sie sich fortan dicht an der Hausmauer. Auch hier säumten immer wieder Büsche ihren Weg; Rosensträucher, denen sie nur ungern zu nahe kommen wollte. An der hinteren Hausecke angekommen ging sie hinter einem Strauch in die Hocke. Die Nebengebäude zu ihrer Linken schienen Stallungen zu sein. Ein leises Wiehern, das kurz darauf an ihr Ohr drang, bestätigte ihre Vermutung. Nachdem sie bei den Stallungen nichts weiter zu erkennen vermochte, schob sie sich näher an die Hausecke heran, spähte herum und zog hastig den Kopf wieder zurück, als sie – keine zwanzig Schritt entfernt – den Vampyr entdeckte. Sie glaubte nicht, dass er sie bemerkt hatte, denn seine Aufmerksamkeit galt einem Fenster. Trotzdem wollte Alexandra kein Risiko eingehen. Sie zog ihre Pistole. Die Waffe barg eine gewisse Gefahr, denn sollte sie gezwungen sein sie einzusetzen, wäre es weithin hörbar. Dennoch wagte sie nicht, die Pistole gegen den Silberdolch einzutauschen. Sie hatte am eigenen Leib erfahren, dass die Kreatur ihr an Stärke weit überlegen war. Allein der Gedanke an ihre letzte Begegnung ließ ihre Knochen erneut schmerzen. Die einzige Möglichkeit, gegen ihn zu bestehen, bestand darin, ihn nicht nah genug
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