Die Jaegerin
vergangenen Nächte. Das Hochgefühl der Jagd. Der Triumph über die Beute. Der Anblick ihrer wehrlosen Opfer. Schluchzend kniete sie vor dem Waschtrog und fragte sich verzweifelt, was geschehen war, als sie hörte, wie unten die Tür geöffnet wurde.
»Catherine?«, drang Daerons Stimme an ihr Ohr. »Ich bin wieder hier!«
Sie wischte sich die Tränen ab und rief: »Ich bin gleich bei dir.« Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme zitterte. Hoffentlich bemerkte er es nicht. Hastig beendete sie ihre Wäsche und kippte das schmutzige Wasser aus dem Fenster. Dann zog sie sich an und ging nach unten. Daeron empfing sie in der Eingangshalle am Fuße der Treppe.
»Deine Wangen haben wieder ein wenig Farbe bekommen«, begrüßte er sie. Als er sie an sich zog, um sie zu küssen, hatte sie Mühe, nicht zurückzuschrecken. Wenn er herausfand, dass sie getötet hatte, würde er ihr das womöglich nicht verzeihen. Nicht, nachdem er ihr gezeigt hatte, dass es auch einen anderen Weg gab, sich zu ernähren.
»Hast du etwas herausgefunden?«
Für einen Moment zeichnete sich eine Frage in seinen Zügen ab. Sein Blick streifte sie von oben bis unten. Da bemerkte sie, dass ihre Schuhe noch immer schmutzig waren. »Ich bin in eine Pfütze getreten«, erklärte sie hastig, ehe er etwas sagen konnte.
Einen Augenblick noch blieben seine Augen auf ihre Schuhe geheftet. Dann nahm er ihre Hand und führte sie in den Salon. Catherine stand nicht der Sinn danach, sich zu setzen. Sie blieb mit dem Rücken zum Fenster stehen und wartete darauf, was er zu berichten hatte.
Daeron wanderte vor dem Kamin hin und her. »Ich bin dem Blonden gefolgt.« In aller Ausführlichkeit berichtete er von dem abgelegenen Herrenhaus und den bewaffneten Männern, die dort für Sicherheit sorgten. »Sie haben mich bemerkt, ehe ich mehr herausfinden konnte.« Er blieb stehen. »Ich werde mich wohl noch einmal dorthin begeben, um mir ein genaueres Bild zu machen. Zuerst jedoch müssen wir uns diese Jägerin vom Hals schaffen.«
Catherine sah auf.
»Sie ist mir gefolgt«, erklärte Daeron. »Nicht auszudenken, was hätte passieren können, wenn sie stattdessen dir aufgelauert hätte!«
Womöglich hätte sie etwas Schreckliches verhindert. »Was sollen wir tun?«
»Wir müssen dafür sorgen, dass sie uns keine Schwierigkeiten macht.«
»Du willst …?«
Daeron schüttelte den Kopf. »Zunächst einmal finden wir heraus, was sie weiß. Danach machen wir sie für eine Weile unschädlich und suchen uns einen anderen Unterschlupf. Die Bibliothek ist dann allerdings tabu.«
9
Lange Zeit hatte Alexandra in ihrem Versteck ausgeharrt und nicht gewagt sich zu bewegen. Endlich war die Lähmung von ihr abgefallen. So schnell sie konnte, war sie zur Droschke zurückgerannt und hatte den Kutscher angewiesen, sie zu ihrer Unterkunft zu bringen.
In der Pension angekommen suchte sie nach Gavril und den anderen. Doch die Jäger waren weder im Schankraum noch auf ihren Zimmern. Noch immer unter dem Eindruck der erschreckenden Begegnung betrat sie ihre Kammer. Ein eisiger Luftzug fuhr ihr entgegen. Die Vorhänge blähten sich im Wind, als versuchten sie nach ihr zu greifen. Mondlicht flutete in den Raum und hüllte den Unendlichen in eine Aura fahlen Lichts. Er stand vor dem Bett und blickte ihr entgegen, als sei sie ein lange erwarteter Gast. Alexandra stolperte rückwärts und prallte gegen die halb offene Tür. Sie tastete hektisch danach, wollte sie aufreißen und auf den Gang stürmen, doch der Unendliche war schneller. Er langte einfach über sie hinweg und warf die Tür mit einem heftigen Schlag vor ihr ins Schloss. Alexandra fuhr herum. Er war nicht einmal einen halben Schritt von ihr entfernt. Weit näher, als sie angenommen hatte. Ihr Blick war auf sein kantiges Gesicht geheftet, doch sie vermied es, in seine Augen zu sehen. Sie wusste, dass er die Fähigkeit besaß, sie mit der Macht seines Blicks zu beeinflussen. Sie hatte es schon einmal erlebt. Damals, als er sie zur Reglosigkeit gezwungen hatte, um …
Alexandra täuschte einen Schritt nach links an. Als er ihrer Bewegung folgte, sprang sie nach rechts und schoss an ihm vorbei. Sie spürte, wie er den Arm nach ihr ausstreckte und duckte sich darunter hinweg. Seine Finger – Klauen? –fuhren über ihren Rücken, ohne sie zu fassen zu bekommen. Mit einem Sprung setzte sie über das Bett hinweg, dem Fenster entgegen. Noch zwei Schritte! Das Fenster war bereits so nah, dass sie den Stoff der im Wind
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