Die Jaegerin
erkennen. Ihre Augen fuhren über zerstörte Wandmosaike, tasteten über zertrümmerte Bodenfliesen und zerschlagenes Mobiliar. Die Holzbänke, auf denen einst die Gläubigen im Gebet Platz genommen hatten, waren umgestürzt, viele davon zertrümmert. Scherben säumten die Gänge entlang der Wände, und aus den massigen Säulen, die sich in einer Doppelreihe von einem Ende der Kirche zum anderen erstreckten, waren große Trümmer herausgeschlagen worden. Ein paar waren so schlimm getroffen, dass Alexandra sich fragte, ob sie überhaupt noch imstande sein mochten, das Dach zu tragen. Das marmorne Weihwasserbecken war umgefallen und in zwei Teile zerborsten. Die Intarsien, Schnitzereien und Verzierungen waren bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Jegliche Kostbarkeit innerhalb dieser Mauern schien entweder zerstört oder gestohlen. Einzig der mächtige Steinaltar erhob sich unversehrt aus den Trümmern, als könne kein noch so übler Ansturm ihm etwas anhaben. Dort entdeckte sie auch den Ursprung des Lichts. Eine Sturmlampe stand auf dem Altar und sandte zaghaft tastende Lichtfinger in den Raum. Noch immer halb hinter der Tür verborgen ließ Alexandra ihren Blick weiterwandern. Sorgfältig suchten ihre Augen jede Säule, jeden Schatten und jeden noch so kleinen Winkel ab. Dort war niemand. Dennoch verharrte sie und wartete ab. Warum sollte jemand eine Lampe zurücklassen, wenn er sie draußen brauchen konnte? Als auch nach einer Weile noch immer niemand zu sehen war, wurde sie unruhig. Die Sache gefiel ihr nicht, trotzdem konnte sie sich nicht ewig hier verstecken. Sie musste ihre Suche endlich beginnen. Wer konnte schon sagen, wie viel Zeit ihr blieb? Am Ende gelang es Lucian nicht, die Männer lange genug abzulenken, und sie würden jeden Augenblick zurückkehren. Ob sie wollte oder nicht – die Zeit drängte.
Nachdem sie auch nach einem weiteren Blick nirgendwo die Spuren eines Eindringlings entdecken konnte, zog sie ihre Pistole und trat ein. Obwohl sie sich allein wähnte, mied sie die Nähe der Außenwände, wo knirschende Scherben jeden ihrer Schritte begleiten würden. Statt sich also im Schatten der Wand voranzubewegen, bahnte sie sich ihren Weg zwischen den mächtigen Säulen hindurch und schob sich an zerstörten Bänken vorbei auf den Altar zu. Einmal hielt sie inne und sah nach oben, um sich zu vergewissern, dass auch dort niemand lauerte. Es gab jedoch keinen Gang und keinen Steg, auf dem sich jemand hätte verbergen können. Im Zentrum der Kirche blieb sie noch einmal stehen und sah sich um. Nach allem, was Catherine berichtet hatte, musste sie nach einem Keller Ausschau halten. Der Grundriss des Gotteshauses schien relativ geradlinig zu sein. Wo also konnte sich der Zugang zum Keller befinden? Alexandras Blick wanderte zum Altar und dann weiter nach links, wo sich ein dunkler Schatten auf dem Boden abzeichnete. Womöglich war es nur ein weiteres Fliesenornament. Nachdem sie jedoch gesehen hatte, wie sorgfältig alle Kunstwerke zerstört worden waren, hoffte sie auf eine Öffnung, von der aus eine Treppe nach unten führen mochte. Ohne weitere Umwege hielt sie auf die Stelle zu. Tatsächlich tat sich vor ihr eine Öffnung im Boden auf. Sie erkannte die dunklen Umrisse von Stufen, die nach einer Weile im Dunkeln verschwanden, ehe sie weiter unten wieder von einem leisen Lichtschimmer erfasst und aus der Finsternis gerissen wurden. Gedämpfte Stimmen drangen an ihr Ohr, zu leise, als dass sie die Worte hätte verstehen können. Die Männer mussten bereits dort unten gewesen sein, als Lucian gekommen war. Sichtlich hatten sie nicht gehört, wie ihre Kameraden aufgebrochen waren. Während sie sich noch fragte, wie sie die Männer nach oben locken sollte, um sich unten umsehen zu können, erschien ein Mann am Fuße der Treppe. Alexandra fuhr zurück. Knirschende Schritte erklangen, als er die Treppe betrat. Hastig versuchte sie die Entfernung zum Ausgang abzuschätzen. Noch ehe ihr Blick die Tür erreichte, wusste sie, dass sie es nicht rechtzeitig schaffen würde. Die Schritte kamen näher. Es gab nur einen Ort, der ihr halbwegs Deckung bieten und den sie schnell genug erreichen konnte. Die Pistole noch immer in der Hand huschte sie zum Altar. Ihr Blick fiel auf die Lampe darauf. Zweifelsohne würden die Männer hierherkommen, um sie zu holen. Dann sollen sie so wenig wie möglich von der Umgebung erkennen. Mit einem raschen Handgriff öffnete sie den Windschutz und blies die kleine Flamme aus. Schatten
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