Die Jaegerin
Mauerkante heran. Sie vergewisserte sich ein letztes Mal, dass die Ushana sie noch nicht bemerkt hatte, ehe sie ihm folgte. Ihr Blick zuckte immer wieder zwischen Daeron, der sich geduckt der Treppe näherte, und der Ushana hin und her. Ohne sich auch nur einmal umzusehen, trat die Ushana an die Tür heran und verschwand aus ihrer Sicht. Vorsichtig huschten Catherine und Daeron voran. Nur wenige Schritte trennten sie noch von den Stufen, als sie die Ushana wieder sehen konnten. Sie hatte aufgeschlossen und öffnete die Tür. Daeron hob die Pistole, legte an und schoss. Catherine erwartete, dass die Ushana zu Boden gehen würde, doch die Vampyrin reagierte blitzschnell. Sie stieß die Tür auf und entging dem Geschoss mit einem raschen Schritt in die Eingangshalle. Daeron ließ die Pistole fallen, sprang vor und überwand die Stufen mit zwei großen Sätzen. Seine Hände veränderten sich, die Finger wurden länger, verkrümmten sich zu messerscharfen Klauen. Catherine zog ihre Pistole und folgte ihm die Stufen hinauf. Sie hatte nicht vor selbst zu schießen, vielmehr dachte sie daran, Daeron die Waffe im geeigneten Augenblick zuzuwerfen. Doch Daeron war bereits im Begriff, die Ushana, die ihm noch immer den Rücken zuwandte, anzugreifen. Bereit zuzuschlagen, holte er aus.
Die Ushana fuhr herum und hob gebietend die Hand in die Höhe. Ihr Blick bohrte sich in seinen. »Halt!«
Wie erstarrt hielt Daeron mitten in der Bewegung inne. Catherine sah, wie er wankte, als würde er gegen den Drang ankämpfen, stehen zu bleiben, doch seine Glieder schienen wie versteinert. Langsam und ruckartig ließ er die Klauenhand sinken. Schlag zu! Worauf wartest du? Aber Daeron rührte sich nicht. Sein Blick war starr auf die Ushana gerichtet, sein Körper angespannt, er zuckte nicht einmal. Catherine wusste, was mit ihm geschah. Dasselbe hatte ihr Vater damals mit ihr getan. Er hatte sie unter der Macht seines Blickes gezwungen, sich seinem Befehl zu fügen. Eine Weile war es ihr sogar gelungen, sich ihm zu widersetzen. Doch er war zu stark gewesen … Die Ushana verfügte über weit mehr Macht, als ihr Vater es je getan hatte. Was sollte Daeron ihr entgegensetzen? Ich muss etwas tun! Catherine hob die Pistole und zielte. Die Ushana stieß ein glockenhelles Lachen aus. Ohne Daeron aus den Augen zu lassen, trat sie zur Seite, bis er sich zwischen Catherine und ihr befand. Catherine versuchte an seiner Schulter vorbei die Ushana ins Visier zu nehmen. Einem geübten Schützen wäre es womöglich gelungen, einen gezielten Schuss abzugeben. Doch Catherine war alles andere als geübt. Die Gefahr, Daeron zu treffen, war zu groß. Ihre Finger zitterten, als sie langsam die Waffe sinken ließ.
»Tritt näher, Catherine Bayne«, forderte die Ushana, ohne die Augen von Daeron zu nehmen. »Dachtet ihr beide wirklich, ich wüsste nicht, dass ihr hier seid?«
Bei Gott, sie kennt sogar meinen Namen! Sie hatten tatsächlich den Fehler gemacht, die Ushana zu unterschätzen! Fieberhaft schweiften Catherines Augen umher, suchten nach einem Ausweg, nach etwas, was ihr gegen die Ushana zu helfen vermochte. Da sah sie, wie Daeron einen Finger bewegte. Er hielt die Hand an seine Körperseite gepresst und bedeutete Catherine mit einer kaum merklichen Bewegung seines Zeigefingers, näher zu kommen. Wiederholte er nur den Befehl der Ushana oder führte er etwas im Schilde? Catherine bewegte sich einen halben Schritt zur Seite und erhaschte einen Blick auf sein Gesicht. Anspannung lag in seinen Zügen, gepaart mit dem Schrecken, den er angesichts der Tatsache empfinden mochte, wie mühelos es der Ushana gelungen war, sich seinen Willen zu unterwerfen. Nichts deutete darauf hin, ob er sie aus freien Stücken heranwinkte oder ob die Ushana durch ihn handelte. Während Catherine noch nach einem Hinweis suchte, bewegte er erneut den Finger. Dasselbe Zeichen wie zuvor. Diesmal entging es der Ushana nicht. Selbst Catherine bemerkte, wie der Blick der Vampyrin an Intensität gewann und Daeron darunter kurz zuckte. Seine Kiefer mahlten und seine Muskeln schienen zum Zerreißen gespannt. Einen Moment lang glaubte Catherine, er könnte sich behaupten und würde jeden Augenblick vorspringen, um die Ushana anzugreifen. Dann jedoch erstarrten seine Züge ebenso wie sein Körper.
Die Ushana betrachtete ihn mit einem zufriedenen Lächeln. »Wie fühlt es sich an, durch meine Augen zu sehen?«, fragte sie Catherine, ohne Daeron aus ihrem Blick zu entlassen. »Zu fühlen,
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