Die Jaegerin
was ich fühle? Zu riechen, was ich rieche, und es zu schmecken! War William nicht wundervoll?«
»Was?« Catherine war nicht sicher, ob sie das Wort tatsächlich ausgesprochen hatte oder ob es nur in tausendfachem Echo durch ihren Geist hallte.
»Ich hoffe, du hattest ebenso viel Vergnügen an meinem kleinen Spielchen wie ich.« Dann schüttelte sie lachend den Kopf. »Nein, vermutlich hattest du das nicht.«
Eine Welle von Entsetzen, gepaart mit einem vorsichtigen Anflug von Erleichterung rauschte über Catherine hinweg und betäubte ihre Sinne. Krampfhaft versuchte sie die Bedeutung der eben gehörten Worte zu begreifen. »Du?«, presste sie mühsam hervor. »Warum?«
Noch immer nahm die Ushana ihren Blick nicht von Daeron. »Dein Vater ist tot.« Sie zuckte die Schultern und lachte. Ein irrer Laut, geprägt vom selben Wahnsinn, der sich jetzt auch in ihren Augen widerspiegelte. »Warum soll die Tochter nicht für die Sünden des Vaters bezahlen? Du solltest wissen, wie es ist, benutzt zu werden. Wie es sich anfühlt, nicht kontrollieren zu können, was man tut – es einfach tun muss –, gezwungen von Mächten, die einem keine Wahl lassen. Jetzt bin ich diese Macht!« Ein Lachen kratzte in ihrer Kehle und strömte in den Raum, so schrill, dass Catherine zusammenzuckte. Die Ushana fuhr fort: »Es gab eine Zeit, da hatte ich tatsächlich Mitleid mit dir!« Die Vampyrin schüttelte den Kopf. »Aber du hast mein Bedauern nicht verdient. Du bist nicht anders als dein Vater. Du missbrauchst die Gabe, wie es dir beliebt. Sieh ihn dir an, deinen erbärmlichen Gefährten! Du hättest ihn besser sterben lassen sollen, statt ihn mit diesem Fluch zu belegen!«
Catherine hasste die Ushana und verabscheute sie, doch was sie wirklich erschütterte, war, dass die Vampyrin recht hatte! Sie war so widerwärtig selbstsüchtig gewesen und hatte damals keinen Gedanken daran verschwendet, was es für Daeron bedeuten mochte, ihm den Tod zu verwehren. Ich bin wirklich wie mein Vater! Sie hatte Daerons Leben genommen und ihn zu einer Existenz verdammt, die sie selbst kaum zu ertragen vermochte. Und wozu das alles? Damit sie jetzt hier durch die Hand der Ushana starben? Sie hatten sich so viel vorgenommen, wollten den Unendlichen vernichten und all seine Kreaturen erlösen. Und was hatten sie erreicht? Nichts! Nur Jahre der Einsamkeit und Qual – für sie beide! Tränen brannten in Catherines Augen, quollen über und liefen ihre Wangen hinab. Hilfe suchend sah sie zu Daeron, doch seine Züge wirkten noch immer, als wären sie zu Stein erstarrt. Und dennoch … Er hatte ihr immer wieder versichert, dass er mit der Umwandlung zurechtkam. Sie hatte es gesehen! Er machte ihr keine Vorwürfe. Das hatte er nie getan!
»Nein«, brachte Catherine mühsam hervor. »Es ist kein Fluch! Nicht für ihn!«
Wieder lachte die Ushana und für einen kurzen Moment richtete sie ihren Blick von Daeron auf Catherine. »Sieh an, du rebellierst ja!« Sofort kehrten ihre Augen wieder zu Daeron zurück und fingen ihn erneut ein. »Dabei war es so leicht, Macht über dich zu bekommen! Es war einfach, in deine Träume und Gedanken einzudringen. Anfangs habe ich dir lediglich Bilder meiner Jagd in den Kopf gepflanzt. Ich habe gespürt , wie groß deine Angst war und wie sie mehr und mehr wuchs, je weiter ich das Band zwischen uns anzog! Doch noch mehr habe ich es genossen, dich zu lenken! War es nicht wundervoll, an jenen Orten zu erwachen, die du zuvor durch meine Augen gesehen hast? Bedauerlich, dass ich einen Teil des kostbaren Blutes verschwenden musste, um deine Gewänder zu tränken. Aber es machte alles noch realer, nicht wahr?«
Es dauerte einen Moment, ehe Catherine begriff, dass sie nicht dabei war, allmählich den Verstand zu verlieren und zu einer mordenden Bestie zu werden. Allein das Wissen, nicht aus freien Stücken, sondern unter Zwang gehandelt zu haben, gab ihr die Kraft, das alles zu ertragen. Dann jedoch wurde ihr das volle Ausmaß der Wahrheit bewusst. Sie – Catherine Bayne – hatte keinen dieser Menschen getötet! Nicht einmal unter dem Bann der Ushana. Die Freude an der Jagd und am Töten, die sie empfunden hatte, war die Freude der Ushana gewesen, nicht ihre eigene! Die Vampyrin hätte sich niemals um das Vergnügen bringen lassen, diese Leben selbst auszulöschen! Es war ganz, wie sie gesagt hatte: Catherine hatte es gesehen, gefühlt und geschmeckt, doch es waren nicht ihre eigenen Empfindungen, sondern die der Ushana. Gefühle,
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