Die Jaegerin
die ihr die Vampyrin in den Geist gepflanzt hatte, um sie zu quälen! Ich bin keine Mörderin! Ich bin es nie gewesen! »Ich habe niemanden umgebracht.«
Die Ushana schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, das hast du nicht.« Sie sah aus wie ein Engel mit ihren sanften Zügen, den großen hellen Augen und den goldenen Locken und doch war sie das grässlichste Monster, dem Catherine jemals begegnet war. Womöglich noch schlimmer als der Unendliche selbst. »Und es macht auch nichts, dass du das nun weißt und wir unser kleines Spielchen hier beenden. Ich bin deiner ohnehin überdrüssig.« Schlagartig schwand das Lächeln von ihren Lippen. Ihre Miene wurde hart. »Seid ihr tatsächlich gekommen, um mich zu vernichten?« Ihre Stimme troff vor Geringschätzung. »Wie naiv von euch! Alles, was euch erwartet, ist euer eigenes Ende! Was wollt ihr gegen mich, die ich zweihundert Jahre Zeit hatte, meine Fähigkeiten zu entwickeln, ausrichten?«
Catherines Finger krampften sich um den Pistolengriff. Was sollte sie darauf erwidern? Sie wusste selbst am besten, dass es nichts gab, was sie der Ushana entgegensetzen konnte. Nichts, außer einer einzigen, lächerlichen Silberkugel.
»Manche müssen nicht erst lernen ihre Fähigkeiten einzusetzen«, antwortete Daeron an Catherines Stelle. »Sie beherrschen sie einfach.«
Die Augen der Ushana bohrten sich in ihn; zum ersten Mal glaubte Catherine, darin einen Anflug von Überraschung zu erkennen. Dann rief Daeron »Schieß!« und warf sich zur Seite. Catherine riss die Pistole hoch. Sie konnte spüren, wie die Ushana mit ihrem Blick nach ihr griff und sie lähmte. Ihre Bewegungen wurden langsamer, der drängende Wunsch, diese Kreatur zu vernichten, schwand mehr und mehr aus ihrem Bewusstsein, als sie die Waffe sinken ließ. Das gehässige Gelächter der Ushana drang viel zu laut an ihr Ohr und fraß sich in ihren Verstand. Nein, so darf es nicht enden! Catherine versuchte sich der Macht der Vampyrin zu entziehen, doch statt die Waffe erneut auf sie anzulegen, bedeutete ihr die Ushana, Daeron ins Visier zu nehmen. Langsam, mit der Waffe im Anschlag, wandte Catherine sich ihm zu. Tu etwas! , flehte sie ihn stumm an, selbst nicht länger Herrin über ihr Handeln. Da zerriss ein Schuss die Stille. Die Ushana keuchte auf und griff sich an die Brust. Erstaunen breitete sich über ihre Züge aus, als sich ihr Körper bereits aufzulösen begann. Ihre Konturen fransten aus, Haut und Fleisch verschwammen, fortgeweht wie Sand unter dem Wüstenwind. Wie paralysiert stand Catherine da und starrte auf das Schauspiel. Der Bann der Ushana war von ihr abgefallen, dennoch war sie so überrascht, dass sie nicht imstande war sich zu bewegen. Sie hatte nicht geschossen!
»Runter!« Daerons Schrei riss sie aus ihrer Erstarrung. Da packte er sie auch schon bei den Schultern und zog sie zu Boden. Erst jetzt sah Catherine die Fensterscheibe hinter sich. Sonnenlicht strömte hindurch und ließ das Loch, das dort mitten im Glas klaffte, in Regenbogenfarben schillern.
18
Alexandra starrte den Unendlichen entsetzt an. Er stand keine zwanzig Schritte entfernt an der Wand zu ihrer Linken, auf Höhe des Altars. So nah! Wie hatte er unbemerkt dorthin gelangen können? Dann entdeckte sie die kleine Tür in seinem Rücken, ein dunkler Schatten, der sich kantig vom Grau der Wand abhob. Zweifelsohne hatte er seine Fähigkeiten eingesetzt und dafür gesorgt, dass er nicht zu hören war. Jetzt jedoch bestand kein Zweifel mehr an seiner Anwesenheit. Seine Gestalt und die Züge – das perfekte Ebenbild Lucians. Einzig seine Gewänder waren andere. Im Gegensatz zu seinem Zwillingsbruder trug der Unendliche keinen Gehrock, sondern lediglich eine bestickte Weste, deren Goldfäden im leisen Laternenschein sanft schimmerten, darunter ein Hemd und ein Paar dunkler Hosen. In einer Geste des Hohns zog er seinen Dreispitz vom Kopf und verneigte sich in Alexandras Richtung. »Ich kann Sie nur beglückwünschen, meine Liebe«, spottete er. »Niemals zuvor habe ich eine Frau in den Armen meines Bruders gesehen.«
Lucian zog Alexandra dicht zu sich heran. »Seine Männer sind rechts und links in den Gängen«, sagte er leise neben ihrem Ohr. »Sie verbergen sich in den Schatten an der Wand und kommen langsam auf uns zu.«
Als wollten sie seine Worte bestätigen, vernahm sie in diesem Moment das leise Knirschen von Scherben. Sie kommen näher. Solange sie das Kreuz bei sich hatten, war Lucian verwundbar! »Wir müssen hier
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