Die Jagd am Nil
unfair, Fatima.»
«Ja», gab sie zu.
Eine Weile war nur das Ticken der Wanduhr zu hören. Schließlich seufzte Gaille. «Na schön», sagte sie. «Du hast gewonnen. Was genau soll ich machen?»
«Hilf ihnen ein bisschen. Das ist alles. Hilf ihnen dabei, einen guten Film zu machen. Ich möchte auch, dass du ihnen die
talatat
zeigst.»
«Nein!», rief Gaille. «Das kann nicht dein Ernst sein.»
«Hast du eine bessere Idee, wie man die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregen kann?»
«Es ist zu früh. Wir können uns noch überhaupt nicht sicher sein. Wenn sich herausstellt, dass wir uns geirrt haben …»
Fatima nickte. «Dann zeig ihnen einfach nur die Stelle. Erkläre ihnen, wie deine Bildsoftware funktioniert, wie du nach all den Jahrhunderten diese alten Szenen wieder zum Leben erweckst. Alles andere kannst du mir überlassen. Immerhin besteht mein Arzt darauf, dass ich esse. Ich werde heute mit euch zu Abend essen. Wenn sich also irgendjemand bei dieser Sache zum Gespött macht, dann werde ich es sein.»
Kapitel 7
I
Als die Nacht hereinbrach, kehrten Knox und Omar zu der Ausgrabungsstätte zurück, vermieden aber aus Angst, gesehen zu werden, die Strecke, die sie zuvor genommen hatten. Stattdessen benutzten sie Wirtschaftswege, überquerten eine Holzbrücke, die über einen anderen Bewässerungskanal auf ein Feld führte, und orientierten sich am Mondlicht, ehe eine hohe Steinmauer die Weiterfahrt unmöglich machte. Nach Knox’ Berechnung lag die Stätte der Texanischen Gesellschaft jenseits einer Straße direkt auf der anderen Seite. Er ließ den Wagen noch ein kleines Stückchen rollen, bis er ein Stahltor entdeckte, das mit einem Vorhängeschloss gesichert war.
Da sein weißes Hemd verräterisch im Mondlicht leuchtete, als sie aus dem Jeep stiegen, schaute er im Heck nach und fand ein dunkles Poloshirt für sich und eine Jacke für Omar. Er vergewisserte sich, dass er sein mit einer Kamera ausgestattetes Handy dabeihatte, dann machten sie sich auf den Weg. Ein Vogel schrie und flatterte gemächlich davon, als sie über das Tor kletterten. Sie überquerten die Straße und erreichten den Kanal. Knox grinste Omar an, weil er Spaß an der Sache hatte, doch Omar verzog nur das Gesicht. Er fühlte sich eindeutig unwohl. Knox rutschte die Böschung hinab, wobei er eine kleine Lawine aus Erde und Steinen auslöste, stieg über den dunklen Wasserlauf und krabbelte auf Händen und Füßen die andere Seite hinauf. Vorsichtig spähte er über den Rand. Die Landschaft war eben und konturenlos, man fand nur schwer einen Orientierungspunkt. Er wartete, bis Omarihm gefolgt war, bückte sich dann und schlich auf das Gelände zu. Er war kaum fünfzig Meter weit gekommen, als er gegen einen großen Stein trat, seinen Knöchel verdrehte und strauchelte. Es gab viele solcher Steine, sah er jetzt, hellgrau und abgerundet, manche waren sogar zu ungleichmäßigen Haufen aufgetürmt, die alle auf einen Punkt am Horizont ausgerichtet waren. Er kam an einem Zelt aus durchsichtiger Plane vorbei. Als er sie zurückzog, entdeckte er darunter eine Grube, in der eine zerfallene Mauer aus antiken Steinen stand. Durch die Plane fiel das Mondlicht auf einen Schädel, gewölbte Rippen und Schenkelknochen. «Eine geradlinige Reihe aus weißen Steinen», murmelte er, während er ein Foto machte, obwohl er sich nicht ganz sicher war, ob man ohne Blitz etwas erkennen konnte. «Genau wie der Friedhof in Qumran. Die Skelette zeigen nach Süden, die Gesichter sind der aufgehenden Sonne zugewandt. Haben Sie bemerkt, dass die Knochen leicht rötlich verfärbt sind?»
«Und?»
«Die Essener tranken einen Saft aus der Krappwurzel. Dieses Rötegewächs verfärbt die Knochen, wenn man genug davon trinkt. Und hat Griffin nicht gesagt, dass hier Krapp angebaut wurde?»
«Glauben Sie, dass Ihr Deckel aus einem dieser Gräber stammt?»
«Möglich.»
«Können wir dann gehen?»
«Noch nicht. Wir müssen noch schauen …»
Hinter ihnen knurrte es. Als Knox herumwirbelte, sah er einen streunenden Hund vor sich. Die Rippen zeichneten sich an seinen Flanken ab, in seinen schwarzen Augen spiegelte sich das Mondlicht. In der Antike waren ägyptische Friedhöfe für gewöhnlich am Rande der Wüste angelegt worden, denn gutes Ackerland warzu kostbar, um es zu verschwenden. Deshalb waren sie von Aasfressern heimgesucht worden; ein Grund, warum der Schakalgott Anubis als Wächter der Gräber galt. Knox zischte und wedelte mit den Händen. Aber
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