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Die Jagd am Nil

Die Jagd am Nil

Titel: Die Jagd am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Adams
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Kinder alle jung gestorben sind?»
    Sie hatten die letzten bewirtschafteten Felder erreicht und fuhren nun durch eine spärliche Baumreihe hinaus in die offene Wüste. Zwischen ihnen und den hohen Kämmen der Sandsteinfelsen in der Ferne gab es nichts als Dünen. «Mein Gott», murmelte Lily auf dem Rücksitz.
    «Ein unglaublicher Anblick, nicht wahr?», sagte Gaille. Das Gelände wirkte wie ein Grenzgebiet; die hohen, grauen Wassertürme alle ein, zwei Kilometer glichen Wachposten, die versuchten, die feindliche Wüste in Schach zu halten. Sie zeigte durch die Windschutzscheibe. «Sehen Sie das von einem Wall umgebene Lager mit den Bäumen davor? Dorthin fahren wir. Es war früher das hiesige Elektrizitätswerk, und als es für ein neues weiter südlich aufgegeben wurde, hat Fatima es übernommen. Es liegt ziemlich genau auf halber Strecke zwischen Hermopolis und Tuna el-Gebel, und dadurch sind wir   …»
    «Tut mir leid, wenn ich Sie mit meinen Theorien gelangweilt habe», unterbrach Stafford sie.
    «Aber nein», entgegnete Gaille. «Sie haben uns gerade erzählt, dass alle Kinder von Echnaton jung gestorben sind.»
    «Ja», sagte Stafford etwas besänftigt. «Auf jeden Fall seine sechs Töchter, und auch Tutanchamun, wenn es tatsächlich sein Sohn war, wie manche Wissenschaftler behaupten. Das Marfan-Syndrom verringert die Lebenserwartung drastisch, was vor allem an der Aortendissektion lag, der Aufspaltung oder Ruptur der Hauptschlagaderwand. Durch den zusätzlichen Druck auf das Herz ist eine Schwangerschaft deswegen besonders gefährlich. Und mindestens zwei Töchter von Echnaton sind bei der Geburt gestorben.»
    «So erging es damals vielen Frauen», erwiderte Gaille. Die Lebenserwartung lag bei Frauen unter dreißig Jahren, wesentlich geringer als bei Männern, wofür größtenteils die Gefahren der Schwangerschaft verantwortlich waren.
    «Außerdem ist Echnaton oft dafür kritisiert worden, dass er sein Reich hat auseinanderfallen lassen, während er auf der faulen Haut lag und Aton angebetet hat. Das Marfan-Syndrom verursacht extreme Erschöpfung. Vielleicht ist er deshalb nie in einer kraftvollen Pose dargestellt worden, abgesehen vom Fahren seines Streitwagens. Es würde auch seine Liebe zur Sonne erklären. Wer am Marfan-Syndrom leidet, kann Kälte nicht vertragen. Und da die Sehkraft beeinträchtigt ist, benötigt man ausreichend Licht, um etwas zu erkennen.»
    «Ziemlich riskant, oder, wenn Ihre gesamte These auf einer solchen Spekulation basiert?»
    «Sie sind eine typische Akademikerin!», schnaubte Stafford. «Sie haben ständig Angst, dass man Sie eines Besseren belehrt. Sie machen die Schotten dicht und tun alles ab. Aber ich irre mich nicht. Meine Theorie erklärt Echnaton vollkommen. Oder haben Sie etwas Besseres parat?»
    «Wie wäre es mit der Opiumtheorie?»
    Stafford starrte sie an. «Wie bitte?»
    Gaille nickte. «Wissen Sie, dass die Mumie von Echnatons Vater, Amenophis   III., in den Verliesen des Museums in Kairo liegt?»
    «Und?»
    «Sie wurde von Paläopathologen untersucht. Anscheinend waren seine Zähne in einem miserablen Zustand.» Sie schaute sich zu Lily um. «Früher hat man das Korn hier mit Stein gemahlen», erklärte sie. «In das Gemahlene sind immer kleine Steinchen geraten. Es war, als würde man Sandpapier essen. Ab einem bestimmten Alter hatte jeder Ägypter abgenutzte Zähne, Amenophisoffenbar besonders stark. Er muss ständig unter Abszessen gelitten haben. Hatten Sie jemals einen Abszess im Mundbereich?»
    Lily zuckte mitfühlend zusammen und legte eine Hand auf ihre Wange. «Einmal», sagte sie.
    «Dann wissen Sie, welche Schmerzen er gehabt haben muss. Damals gab es natürlich noch keine Antibiotika. Man musste den Schmerz einfach ertragen. Bestimmt wird er getrunken haben, um ihn zu betäuben. Hauptsächlich Wein, obwohl die Ägypter auch Bier mochten. Aber es gab noch eine andere Möglichkeit. Laut einer Papyrus Ebers genannten Quelle war den Medizinern der achtzehnten Dynastie Opium wohlbekannt. Man importierte es aus Zypern, verarbeitete es zu einer Paste und rieb es als Schmerzmittel auf die Wundstelle, in Amenophis’ Fall auf das Zahnfleisch. Deshalb ist die Vorstellung keineswegs abwegig, dass die Ärzte auch Echnaton Opium verabreicht haben, besonders, wenn er an einer schweren Krankheit litt, wie Sie behaupten.» Sie hatten Fatimas Lager erreicht. Da das Tor geschlossen war, musste Gaille kurz auf die Hupe drücken. «Vielleicht hat er Gefallen daran

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