Die Jagd am Nil
ihrer Nähe das Leben zur Hölle, bis sie ihren Willen durchgesetzt hatten. Es ärgerte sie, irgendetwas zu tun, was ihm aus dem Chaos half, das er sich selbst eingebrockt hatte. «Sie haben doch noch Ihre Drehgenehmigungen, oder? Der Offizier hat nur die für das königliche Grab zerrissen, richtig?»
«Ja. Warum?»
«Ich glaube, wir könnten noch eine Möglichkeit probieren.»
«Welche?»
«Es ist ein höllisches Risiko», sagte Gaille, die schon bereute, sich tiefer in diese Sache zu verstricken.
«Bitte, Gaille. Ich flehe Sie an. Er kann meine Karriere ruinieren. Wirklich. Und er wird es tun, nur aus Rache. Sie haben ihn erlebt.»
Gaille seufzte. «Na schön. Also, am Nil gibt es alle paar Kilometer Autofähren. Jede Stadt hat eine eigene. Die nächste ist nichtweit von hier im Süden. Ich habe sie schon einmal benutzt, als diese repariert wurde. Sie wird nicht von der Polizei überwacht.»
«Eine andere Fähre?» Lily drehte sich um, ehe Gaille sie zurückhalten konnte. «Anscheinend gibt es südlich von hier eine andere Fähre», rief sie Stafford zu.
«Und das soll mich beruhigen?»
«Sie haben eine Drehgenehmigung für die Südgräber», sagte Gaille. «Dort sind viele von Echnatons Adligen bestattet worden.»
«Ich weiß, was die Südgräber sind, vielen Dank. Und genauso gut weiß ich, dass wir keinen Grund haben, sie zu filmen.»
«Es ist nur so, dass sie abgeschieden am südlichen Rand von Amarna liegen.»
«Und?»
«Wenn wir den Nil mit dieser anderen Fähre überqueren, müssten wir dorthin kommen, ohne gesehen zu werden. Und wenn man uns anhält, haben wir ja Ihre Drehgenehmigung.»
«Sind Sie bescheuert oder was? Ich will die Scheiß-Südgräber nicht filmen. Ich will das königliche Grab filmen.»
«Ja», sagte Gaille. «Aber wenn wir dort sind, ist es theoretisch möglich, zu Fuß über die Berge zum königlichen Grab zu gehen. Es ist nicht weit.»
«
Theoretisch
möglich?», schnaubte Stafford. «Was bringt das, wenn keiner von uns den Weg kennt?»
Gaille zögerte wieder. Sie wusste, dass sie sich durch ihre Abneigung diesem Mann gegenüber nicht zu einer Unbesonnenheit verleiten lassen durfte. Und trotzdem geschah es. «Ich kenne den Weg», sagte sie.
Kapitel 24
I
Die Frau hörte auf zu schreien und lief in ihre Wohnung. Doch Knox’ Erleichterung währte nicht lange. Sie kehrte mit einem Küchenmesser zurück und stieß sofort auf seine Knöchel ein. Er versuchte, sich hochzuziehen, aber ihm fehlte die Kraft. Er hatte keine andere Wahl, als Schwung zu holen und sich dann auf den Balkon fallen zu lassen. Er landete auf der am Boden verteilten Wäsche und strauchelte auf allen vieren nach vorn. Als sie auf seinen Rücken einstach, spürte er die scharfe Spitze durch sein Hemd dringen. Er wirbelte herum und hob unterwürfig die Hände, konnte sie damit aber nicht beruhigen. Er rappelte sich auf, humpelte durch ihre Wohnung und hinaus ins Treppenhaus.
Sein Knöchel schmerzte zu sehr, deshalb rief er den Fahrstuhl. In der Wohnung telefonierte die Frau mit der Polizei und verlangte hysterisch, dass sie sofort kommen sollte. Die Kabel des Fahrstuhls knarrten und quietschten. Die Frau kam an die Wohnungstür, um ihn anzubrüllen und die Nachbarn um Hilfe zu rufen. Überall im Treppenhaus gingen Türen auf, Leute lehnten sich über das Geländer. Der Fahrstuhl hielt. Knox stieg ein und drückte auf den Knopf fürs Erdgeschoss. Mit pochenden Knöcheln hinkte er aus dem Mietshaus, sein linkes Knie knackte seltsam. Auf der Hauptstraße hielt er einen Bus an, ohne sich darum zu kümmern, wohin er fuhr oder dass er bereits überfüllt war. Eine Frau mit einem blumigen Kopftuch und Sonnenbrille schaute ihn misstrauisch an, als ein Polizeiwagen mit heulender Sirene vorbeijagte.Knox zog seinen Kopf ein und kam sich lächerlich verdächtig vor.
Bei den Schallalat-Gärten stieg er aus, quälte sich zum römischen Friedhof und schob die schwere Holztür auf. Ein älterer Mitarbeiter stand auf seinen Besen gestützt da. Ansonsten war die Anlage verwaist. Viele der Gräber hatten Aufbauten, die wie kleine Marmortempel aussahen. Knox fand ein abgeschiedenes Grabmal und legte sich drinnen mit dem Rücken an die Wand. Dann schloss er die Augen und gönnte seinem geschundenen Körper ein wenig Ruhe.
II
Das Museum für Frühgeschichte in Mallawi bestand aus drei schäbigen, langen Hallen mit hohen Decken und schwacher Beleuchtung. Die Direktorin hob ihre Augenbrauen, als Naguib die Figurine aus dem
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