Die Jagd am Nil
eine Figur inmitten eines siebenzackigen Sterns zeigt. Augustin hat sie an ein Bild Baphomets von irgendeinem Franzosen erinnert, aber an seinen Namen kann ich mich nicht mehr erinnern.»
«Eliphas Lévi», sagte Kostas. «Ich kenne ihn.»
«Außerdem gab es dort ein Wandgemälde von Dionysos und eins von Priapus. Das war’s.»
«Welch faszinierende Liste», sagte Kostas entzückt. Seine Augen waren vor Freude feucht geworden. «Sie wissen, dass die Therapeuten in der Nähe von Borg gelebt haben?»
«Ja.»
«Und Harpokrates. Die Römer verehrten ihn als Gott der Stille, weil die Ägypter ihn mit einem Finger an den Lippen dargestellt haben. Doch in Wirklichkeit hat diese Geste nichts mit Stille zu tun.»
«Nein», stimmte Knox ihm zu. Die Geste war bei den Ägyptern ein Symbol für Jugend, ähnlich wie die Locke auf der Stirn eines Prinzen.
«Sein Name leitet sich vom ägyptischen
Har-pa-khared
ab. Horus, das Kind. Horus war der Gott mit dem Falkenkopf, der mit dem Sonnengott Re zu Re-Harakleti verschmolz und jeden Morgen im Osten aufging.»
«Ich bin Ägyptologe», bemerkte Knox.
«Natürlich sind Sie das, mein guter Junge. Natürlich sind Sie das. Deswegen haben Sie die Verbindung zwischen ihm und Baphomet auch längst erkannt.»
«Welche Verbindung?»
«Die Religion von Aleister Crowley, Thelema. Crowley machte dort weiter, wo Eliphas Lévi aufgehört hat, wie Sie sicherlich wissen. Er erkannte in Baphomet Harpokrates, obwohl man gerechterweise sagen muss, dass es hauptsächlich auf seine außerordentliche Ignoranz zurückzuführen war. Andererseits fällt mir gerade ein, dass Harpokrates tatsächlich mit einer speziellen und ziemlich faszinierenden Gruppe Alexandrinischer Gnostiker verbunden war.»
«Welcher Gruppe?»
«Zuerst eine Tasse Tee», sagte Kostas und fuhr mit der Zunge über seine Lippen. «Ja. Tee und Kuchen.»
III
Khaled kletterte die Strickleiter wieder hinauf und überlegte, ob er noch einmal in die Grabkammer gehen sollte. Die Überquerung des Schachts war kein Kinderspiel. Sie hatten zwei Bretter darübergelegt, die jeweils nur wenige Zentimeter länger waren als die Öffnung und sich gefährlich bogen, wenn man hinüberging.
Am Anfang war das kein Problem gewesen, weil der Schacht fast vollständig mit Schutt gefüllt war, sodass man nicht tief gefallen wäre. Doch mittlerweile konnte man selbst mit einer Taschenlampe kaum noch den Grund erkennen. Manchmal suchten ihn Albträume heim, in denen er in diese klaffende Dunkelheit stürzte. Trotzdem hatte er nicht als Erster vorschlagen wollen, längere Bretter zu holen. Und von seinen Männern hatte auch keiner etwas gesagt.
Schließlich gelangte er sicher auf die andere Seite und trat in die Grabkammer. Große Schutthaufen lagen vor den Wänden, die vollständig verputzt, aber nicht verziert waren, was vermutlich daran lag, dass das Grabmal nicht …
Plötzlich erstarrte er. Eine Stimme. Eine Männerstimme. Sie kam von oben. Er lauschte aufmerksam. Doch er hörte nichts mehr. Er entspannte sich, sein Herzschlag schlug wieder langsamer. Er musste über sich lachen. Diese antiken Gräber konnten wirklich unheimlich sein. Man hatte das Gefühl …
Wieder die Stimme. Dieses Mal bestand kein Zweifel. Jetzt erkannte er sie auch. Dieser verfluchte Fernsehmann. Er musste zurückgekehrt sein! Khaled schaute erschrocken zur Decke hoch und konnte kaum glauben, wie nah die Stimme klang. Vielleicht war der Kerl ja auch ganz in der Nähe. Oben auf dem Felsen gabes eine Spalte. Als er zum ersten Mal hier gewesen war, war sie knöcheltief mit Regenwasser gefüllt gewesen. Er eilte zurück über die Bretter und zum Eingang. Auch Faisal und Nasser hatten die Stimmen gehört, sie hatten ihre Lampen ausgeschaltet und hockten vor der Öffnung, wo der Sackleinen vor der untergehenden Sonne rötlich schimmerte.
«Die Fernsehleute», flüsterte Faisal.
Khaled nickte. «Die machen ihre Aufnahmen, und dann verschwinden sie.»
«Und wenn sie unseren Wagen gesehen haben?»
Auf der anderen Seite des Sackleinens rutschte ein Schuh über den Schiefer. Khaled wurde kalt. Faisal begann vor Aufregung zu kichern und presste beide Hände vor den Mund, um keinen Laut mehr von sich zu geben. Seine Augen zwinkerten wie verrückt. Khaled öffnete leise sein Holster, zog die Walther und richtete sie auf den Ausgang des Grabmals. Plötzlich musste er an zu Hause denken, an seine Kindheit, daran, wie seine Mutter mit ihm geprahlt hatte, an die ganzen Fotos in
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