Die Jagd beginnt
Nichts bildete sich langsam, zögernd. Er wusste, dass seine Angst es zurückhielt, die Furcht vor dem Versuch. So schnell er auch die Angst in die Flamme goss, es kam immer neue Angst. Ich schaffe es nicht. Lenke die Macht. Ich will aber nicht. Licht, es muss doch einen anderen Weg geben. Grimmig schob er diese Gedanken beiseite. Er fühlte, wie sich auf seinem Gesicht Schweißtropfen bildeten. Entschlossen machte er weiter, leerte seine Ängste in die alles verschlingende Flamme und ließ sie wachsen, wachsen. Und das Nichts war schließlich auch da.
Sein innerster Kern schwebte in der Leere. Er konnte das Licht sehen – Saidin –, sogar mit geschlossenen Augen, konnte seine Wärme fühlen, wie sie ihn umgab, alles umgab, alles in sich aufnahm. Sie flackerte wie ein Kerzenlicht, das man durch Ölpapier betrachtet. Ranziges Öl. Stinkendes Öl.
Er fasste danach – es war ihm selbst nicht klar, wie er das machte; irgendwie, eine Bewegung, ein Sich-dem-Licht-Entgegenstrecken, Nach- Saidin -Fassen – und fand nichts. Es war, als fasse er nur in Wasser. Es fühlte sich an wie ein schleimiger Tümpel, auf dem über dem sauberen Wasser lauter Schmutz schwamm. Doch er vermochte nichts von dem Wasser zu schöpfen. Immer wieder rann es ihm durch die Finger. Nicht einmal Wassertropfen blieben zurück, nur der dicke Schleim, bei dem es ihn angeekelt fröstelte.
Verzweifelt versuchte er, sich die Mulde so vorzustellen, wie sie ausgesehen hatte – mit Ingtar und den Lanzenträgern, wie sie neben ihren Pferden schliefen, mit Mat und Perrin und dem Stein, der fast ganz in der Erde steckte. Er ließ das Bild außerhalb des Nichts entstehen, wo es an der Hülle aus Leere klebte, die ihn umschloss. Er bemühte sich, dieses Bild mit dem Licht zu verknüpfen, versuchte, zu verschweißen. Die Mulde, wie sie ausgesehen hatte, und er, Loial und Hurin darin. Sein Kopf schmerzte. Alle zusammen, auch Mat und Perrin und die Shienarer. In seinem Kopf brannte ein Feuer. Zusammen!
Das Nichts zerplatzte zu tausend rasiermesserscharfen Scherben, die in seinen Geist schnitten.
Schaudernd taumelte er mit weit aufgerissenen Augen rückwärts. Seine Hände schmerzten, weil er sie so stark auf den Stein gedrückt hatte, Arme und Schultern bebten. Schmerz durchwallte ihn. Der Magen drehte sich ihm beinahe um, denn er hatte das Gefühl, ganz von diesem schleimigen Schmutz bedeckt zu sein, auch der Kopf … Er bemühte sich, ganz ruhig zu atmen. Das war ihm noch nie passiert. Wenn das Nichts verschwand, dann geschah das wie bei einer angestochenen Blase. Es war mit einem Wimpernschlag einfach weg. Es war noch nie wie Glas zersplittert. Sein Kopf war wie betäubt, als sei er tausendmal so schnell geschnitten worden, dass der Schmerz sich noch gar nicht bemerkbar gemacht hatte. Aber jeder Schnitt war so real gewesen, als sei er durch ein Messer erfolgt. Er berührte seine Schläfe und war überrascht, dass an den Fingern kein Blut klebte.
Hurin stand immer noch da und beobachtete ihn vertrauensvoll. Wenn überhaupt, dann schien ihm der Schnüffler von Minute zu Minute sicherer zu werden. Lord Rand unternahm etwas. Dazu waren Lords da. Sie schützten Land und Leute mit ihrem Leib und Leben, und wenn etwas misslang, stellten sie es wieder richtig und sorgten dafür, das sich Recht und Gesetz durchsetzten. Solange Rand etwas unternahm, gleichgültig was, konnte Hurin sicher sein, dass am Ende alles gut wurde. So war das eben bei Lords.
Loial blickte ganz anders drein, mit verblüfft gerunzelter Stirn, aber auch sein Blick ruhte auf ihm. Rand fragte sich, was er wohl dachte.
»Das war einen Versuch wert«, sagte er. Das Gefühl, ranziges Öl im Kopf zu haben – Licht, in mir drinnen! Ich will das nicht in mir haben! –, verschwand allmählich, obwohl er immer noch das Bedürfnis hatte, sich zu übergeben. »Ich versuche es in ein paar Minuten noch einmal.«
Er hoffte, dass es selbstbewusst klang. Er hatte keine Ahnung, wie die Steine funktionierten, ob das, was er tat, auch nur die Hoffnung von Erfolg bot. Vielleicht gibt es gewisse Regeln, wie man damit umzugehen hat. Vielleicht muss ich etwas ganz Bestimmtes tun. Licht, vielleicht kann man auch den gleichen Stein nicht zweimal hintereinander benutzen, sonst … Er brach den Gedankengang ab. Es hatte keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Er musste stattdessen etwas tun. Als er Hurin und Loial ansah, vermeinte er zu wissen, was Lan gemeint hatte, als er von erdrückender Pflicht
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