Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jagd beginnt

Die Jagd beginnt

Titel: Die Jagd beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
allem lag, beinahe ganz losgelöst davon, ein Gefühl von Gefahr, als schnappe gerade eine Falle über einem nichts ahnenden Lamm zu – eine Falle mit vielen Zacken. Als habe sich der Ablauf der Zeit verlangsamt, konnte sie beobachten, wie sich die eisernen Kiefer aufeinander zu bewegten. Der Traum war mit dem Erwachen nicht verblasst, wie das bei Träumen sonst der Fall war. Und das Gefühl der Gefahr war so stark, dass sie sich am liebsten ständig umgeblickt hätte – nur irgendwie wusste sie, dass die Gefahr Rand galt und nicht ihr.
    Sie fragte sich, ob die Frau vielleicht Moiraine gewesen war, und schalt sich dann selbst ob dieses Gedankens. Liandrin füllte diese Rolle besser aus. Oder möglicherweise Alanna; auch sie hatte Interesse an Rand gezeigt.
    Sie konnte sich nicht überwinden, Anaiya alles zu erzählen. So sagte sie höflich: »Anaiya Sedai, ich weiß, dass es töricht klingt, aber er ist in großer Gefahr. Ich weiß es. Ich fühlte es. Ich fühle es immer noch.«
    Anaiya sah nachdenklich aus. »Ja«, sagte sie leise, »ich wette, mit dieser Möglichkeit hat niemand gerechnet. Ihr könntet eine Wahrträumerin sein. Es ist nur eine geringe Möglichkeit, Kind, doch … Wir haben seit, ach, vier- oder fünfhundert Jahren keine mehr gehabt. Und Wahrträumen hängt eng mit Weissagung zusammen. Falls Ihr wirklich wahrträumen könnt, mag es sein, dass Ihr auch Voraussagen treffen könnt. Das wäre den Roten ein Dorn im Auge. Es könnte sich natürlich auch um einen ganz normalen Albtraum handeln, der von der Müdigkeit und von kaltem Essen und der beschwerlichen Reise hervorgerufen wurde. Und davon, dass Ihr Euren jungen Mann vermisst. Das ist viel wahrscheinlicher. Ja, ja, Kind, ich weiß schon. Ihr seid seinetwegen besorgt. Hat Euer Traum eine Andeutung geliefert, welche Art von Gefahr ihm droht?«
    Egwene schüttelte den Kopf. »Er verschwand einfach, und ich fühlte die Gefahr. Und das Böse. Ich hatte es sogar schon gefühlt, bevor er verschwand.« Sie schauderte und rieb sich die Hände. »Ich kann es immer noch wahrnehmen.«
    »Nun, wir werden uns auf der Flusskönigin weiter darüber unterhalten. Falls Ihr wirklich eine Wahrträumerin seid, werde ich dafür sorgen, dass Ihr die Ausbildung erhaltet, die Moiraine eigentlich … Du da«!, schrie die Aes Sedai plötzlich, und Egwene zuckte zusammen. Ein hoch gewachsener Mann, der sich gerade auf ein Weinfass gesetzt hatte, zuckte ebenfalls zusammen. Ein paar andere beschleunigten ihre Schritte. »Das soll an Bord gebracht und nicht zum Sitzen benützt werden! Wir sprechen auf dem Boot weiter, Kind. Nein, du Narr! Das kannst du nicht allein tragen! Willst du dir einen Bruch heben?« Anaiya lief den Landesteg hinunter und schimpfte die unglücklichen Dorfbewohner so heftig aus, wie Egwene es ihr nicht zugetraut hatte.
    Egwene spähte in der Dunkelheit nach Süden. Er war irgendwo dort draußen. Nicht in Fal Dara, nicht in der Fäule. Da war sie sicher. Reiß dich zusammen, du wollköpfiger Narr! Wenn du dich umbringen lässt, bevor ich dich herausholen kann, ziehe ich dir die Haut bei lebendigem Leib ab. Sie kam gar nicht darauf, sich zu fragen, wie sie ihn wohl aus irgendeiner Gefahr herausholen sollte, während sie nach Tar Valon unterwegs war.
    Sie zog ihren Umhang dicht um sich und machte sich daran, ein Boot zu suchen, das sie zur Flusskönigin bringen würde.

KAPITEL 13

    Von Stein zu Stein
    D er Schein der aufgehenden Sonne weckte Rand, und er fragte sich, ob er immer noch träumte. Er setzte sich langsam auf und sah sich um. Alles war anders – oder beinahe alles. Sonne und Himmel boten den erwarteten Anblick, wenn auch blass und nahezu wolkenlos. Loial und Hurin lagen noch neben ihm und schliefen, fest in ihre Umhänge gehüllt. Ihre Pferde standen nur ein paar Schritte entfernt mit unversehrten Fußfesseln. Aber alles andere war weg. Soldaten, Pferde, seine Freunde – jeder und alles waren verschwunden.
    Auch die Mulde selbst hatte sich verändert, und sie befanden sich nun in der Mitte und nicht mehr am Rand. Nahe bei Rands Kopf erhob sich ein grauer Steinzylinder, bestimmt volle drei Spannen hoch und einen Schritt im Durchmesser. Er war bedeckt mit Hunderten, vielleicht Tausenden von tief eingemeißelten Diagrammen und Zeichen in einer Schrift, die er nicht kannte. Der Boden der Mulde war mit weißem Stein ausgelegt, so eben wie ein Fußboden in einem Haus und so glatt poliert, dass er beinahe glänzte. Breite hohe Stufen führten in

Weitere Kostenlose Bücher