Die Jagd beginnt
ungesehen an sie heranschleichen. Er berührte sein Schwert.
»Schwerter helfen nicht gegen mich, Lews Therin. Das solltest du doch wissen.«
Der Nebel wirbelte um Rands Füße, als er herumfuhr. Das Schwert sprang in seine Hand; die Klinge mit dem Reiherzeichen stand senkrecht vor ihm. In ihm blähte sich das Nichts auf. Zum ersten Mal bemerkte er das kränkliche Licht von Saidin kaum.
Eine schattenhafte Gestalt kam durch den Nebel näher heran. Sie ging an einem hohen Stock. Dahinter, so, als werfe die Gestalt einen riesigen Schatten, verdunkelte sich der Nebel, bis er schwärzer als die Nacht erschien. Rand überlief es kalt. Die Gestalt kam näher und entpuppte sich als ein ganz in Schwarz gekleideter Mann mit schwarzen Handschuhen, dessen Gesicht von einer schwarzen Seidenmaske bedeckt war.
Mit ihm näherte sich auch der Schatten. Auch der Stock war schwarz, als sei das Holz verkohlt, aber es war glatt und glänzte wie Wasser im Mondschein. Einen Augenblick lang glühte es in den Augenlöchern der Maske, als befänden sich statt Augen Feuer dahinter, aber Rand benötigte dieses Zeichen nicht, um zu erkennen, wer da vor ihm stand.
»Ba’alzamon«, hauchte er. »Das ist ein Traum. Es muss so sein. Ich bin eingeschlafen und …«
Ba’alzamons Lachen klang wie das Aufbrüllen der Flammen in einem geöffneten Hochofen. »Du versuchst doch immer zu leugnen, was wirklich ist, Lews Therin. Wenn ich die Hand ausstrecke, kann ich dich berühren, Brudermörder. Ich kann dich immer berühren. Immer und überall.«
»Ich bin nicht der Drache! Mein Name ist Rand al’ …!« Rand biss sich auf die Lippen, um nicht weiterzusprechen.
»Oh, ich kenne den Namen, den du jetzt benutzt, Lews Therin. Ich kenne jeden Namen, den du Zeitalter um Zeitalter benutzt hast, sogar schon lange bevor du zum Brudermörder wurdest.« Ba’alzamons Stimme wurde lauter und eindringlicher. Manchmal flammte das Feuer in seinen Augen so stark auf, dass Rand es durch die Öffnungen in der Seidenmaske sah. Er sah es als endloses Flammenmeer. »Ich kenne dich, kenne dein Geschlecht und deine Abstammung bis zurück zum ersten Lebensfunken, zum ersten Augenblick. Du kannst dich niemals vor mir verbergen. Nie! Wir sind aneinander gefesselt wie die beiden Seiten einer Münze. Gewöhnliche Männer können sich in den Falten des Musters verbergen, aber Ta’veren heben sich davon ab wie Leuchtfeuer auf einem Hügel, und du, du hebst dich von alledem ab, als stünden zehntausend leuchtende Pfeile am Himmel, die auf dich deuten! Du bist mein und immer in Reichweite meiner Hand!«
»Vater der Lügen«!, brachte Rand heraus. Trotz des Nichts in seinem Inneren klebte ihm die Zunge am Gaumen. Licht, lass es ein Traum sein. Der Gedanke rutschte über die Oberfläche der Leere. Selbst einen dieser Träume, die keine echten Träume sind. Er kann doch nicht wirklich vor mir stehen. Der Dunkle König ist im Shayol Ghul gefangen, wo ihn der Schöpfer im Augenblick der Schöpfung … Er kannte die Wahrheit zu gut, als dass die Litanei ihm geholfen hätte. »Der Name passt gut zu dir. Wenn du mich einfach in Besitz nehmen könntest, warum hast du es dann nicht getan? Weil du es nicht kannst! Ich wandle im Licht, und du kannst mich nicht berühren.«
Ba’alzamon stützte sich auf seinen Stock und sah Rand einen Augenblick lang an. Dann ging er hinüber zu Hurin und Loial und sah auf sie hinunter. Der riesenhafte Schatten kam mit ihm. Er bewegte die Nebelschwaden nicht, wie Rand bemerkte – er ging vorwärts, der Stock schwang im Takt seiner Schritte, aber der graue Nebel wirbelte und floss nicht um seine Füße herum wie bei Rand. Das machte ihm Mut. Vielleicht war Ba’alzamon nicht wirklich hier. Vielleicht war es ein Traum.
»Du hast eigenartige Anhänger«, überlegte Ba’alzamon laut. »Das war aber schon immer so. Das Mädchen, das versucht, dich zu bewachen. Ein schlechter und schwacher Wächter, Brudermörder. Und wenn sie ein ganzes Leben lang Zeit hätte, zu wachsen, würde sie doch niemals groß genug, dass du dich hinter ihr verstecken könntest.«
Mädchen? Wer? Moiraine ist ja wohl kein Mädchen mehr. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Vater der Lügen. Du lügst und lügst, und selbst wenn du die Wahrheit sagst, verdrehst du sie zu einer Lüge.«
»Tatsächlich, Lews Therin? Du weißt, was du bist und wer du bist. Ich habe es dir gesagt. Und diese Frauen aus Tar Valon haben es dir auch gesagt.« Ba’alzamon lachte auf wie ein leichter
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