Die Jagd beginnt
aber nicht, dass die Trollocs als solche erkannt werden, sonst hätte er sie nicht so verkleidet. Wenn wir eine belebte Straße finden, sind wir in Sicherheit. Wir müssen zurück zu Hurin. Falls Fain ihn allein beim Horn findet …«
Er zog Loial mit sich zur nächsten Ecke und wandte sich den Geräuschen von Musik und Gelächter zu, doch lange bevor sie die Quelle des fröhlichen Lärms erreicht hatten, erschien eine weitere Gruppe von Männern mit einer Puppe, die keine war, auf der ansonsten leeren Straße vor ihnen. Rand und Loial bogen um die nächste Ecke. Die Straße führte nach Osten.
Jedes Mal, wenn Rand versuchte, Musik und Gelächter zu erreichen, versperrte ihm ein Trolloc den Weg. Oft schnupperten sie in die Luft, um eine Witterung von ihm einzufangen. Einige Trollocs pflegten auf diese Art zu jagen. Manchmal ging auch ein Trolloc ohne Tarnung einher, wo keine Augen waren, ihn zu erspähen. Mehr als einmal war Rand sicher, dass er diesen Trolloc bereits vorher gesehen hatte. Der Kreis um ihn herum wurde enger. Sie wollten sichergehen, dass er und Loial die verlassenen Straßen mit ihren verrammelten Türen und Fenstern nicht verließen. Langsam wurden die beiden nach Osten getrieben, weg von der Stadt und von Hurin, weg von den anderen Menschen, durch enge, düstere Gassen, deren Gewirr sich nach allen Seiten erstreckte, hügelab und hügelan. Rand betrachtete die Häuser, an denen sie vorbeikamen – hohe Gebäude, die zur Nacht geschlossen waren –, mit größtem Bedauern. Selbst wenn er an eine Tür pochte, bis jemand öffnete, und selbst wenn sie Loial und ihn einließen – keine der Türen, die er da sah, würde einen Trolloc aufhalten. Er würde ihnen auf die Art nur außer Loial und ihm selbst weitere Opfer anbieten.
»Rand«, sagte Loial schließlich, »wir sind am Ende angelangt.«
Sie hatten die Ostgrenze von Vortor erreicht; die hohen Gebäude zu beiden Seiten waren die letzten im Ort. Lichter in den oberen Fenstern verhöhnten sie, aber in den unteren Stockwerken waren die Fenster dicht verrammelt. Vor ihnen lagen die in Dämmerung gehüllten Hügel. Nicht einmal ein Bauernhaus war dort zu sehen. Allerdings – ganz unbewohnt waren sie nicht. Auf einem größeren Hügel konnte er blasse Mauern erkennen, vielleicht eine Meile weit entfernt, und dahinter Gebäude.
»Wenn sie uns einmal dort draußen haben«, sagte Loial, »brauchen sie sich nicht mehr darum zu scheren, wer sie sieht.«
Rand deutete auf die Mauern um den Hügel. »Die sollten einen Trolloc aufhalten. Das muss das Herrenhaus eines Lords sein. Vielleicht lassen sie uns ein. Einen Ogier und einen ausländischen Lord? Der Mantel muss doch endlich mal für etwas gut sein!« Er blickte die Straße hinunter. Noch kein Trolloc in Sicht, aber trotzdem zog er Loial um die Ecke des Gebäudes an ihrer Seite.
»Ich glaube, das ist das Zunfthaus der Feuerwerker, Rand. Die Feuerwerker hüten ihre Geheimnisse sorgfältig. Ich glaube nicht, dass sie selbst Galldrian einlassen würden.«
»In welches Fettnäpfchen bist du nun wieder getappt?«, fragte eine vertraute Frauenstimme. Plötzlich lag ein gewisses Parfüm in der Luft.
Rand blieb der Mund offen stehen: Selene kam um die Ecke, von der sie beide gerade hergekommen waren. Ihr weißes Kleid schimmerte hell in der Dämmerung. »Wie seid Ihr denn hierher gekommen? Was macht Ihr hier? Ihr müsst sofort weg! Lauft! Hinter uns sind Trollocs her!«
»Das habe ich gesehen.« Ihre Stimme klang trocken, kühl und beherrscht. »Ich habe Euch gesucht, und Ihr lasst Euch von Trollocs wie ein Schaf in den Pferch treiben. Kann sich der Mann so behandeln lassen, der das Horn von Valere besitzt?«
»Ich habe es nicht bei mir«, fauchte er, »und ich weiß auch nicht, wie es mir helfen könnte. Die toten Helden kommen wohl kaum zurück, um mich vor Trollocs zu retten. Selene, Ihr müsst weg! Sofort!« Er spähte um die Ecke.
Keine hundert Schritte entfernt steckte ein Trolloc vorsichtig den gehörnten Kopf um eine andere Ecke und witterte in den Abend hinein. Der große Schatten an seiner Seite musste von einem weiteren Trolloc stammen. Und dann waren da auch noch kleinere Schatten. Schattenfreunde.
»Zu spät«, murmelte Rand. Er schob den Flötenkasten zur Seite, zog den Umhang aus und legte ihn ihr um die Schultern. Er war lang genug, um ihr weißes Kleid ganz zu verdecken und noch über den Boden zu schleifen. »Ihr müsst ihn hochheben, damit Ihr rennen könnt«, sagte er ihr.
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