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Die Jagd beginnt

Die Jagd beginnt

Titel: Die Jagd beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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wie die Gebäude, die aussahen wie sich brechende Wogen oder vom Wind zerklüftete Klippen oder fantasievolle Muscheln und gar nicht wie etwas, das man aus Stein gebaut hat. Oft kamen Aes Sedai in die Stadt, und inmitten dieser Menge konnten sie einem plötzlich gegenüberstehen, ohne es rechtzeitig zu bemerken. Nach einer Weile wurde ihr bewusst, dass die anderen Frauen genauso scharf danach Ausschau hielten wie sie, aber der Anblick des Ogierhains war dann doch mehr als nur eine Erleichterung für sie.
    Über den Dächern kamen die Großen Bäume in Sicht. Ihre weit ausladenden Kronen befanden sich mehr als hundert Spannen weit oben. Hoch aufragende Eichen und Ulmen, Lederblattbäume und Tannen wirkten im Vergleich dazu winzig. Eine Art von Mauer umgab den Hain, der etwa je zwei Meilen lang und breit war, aber sie bestand lediglich aus einer endlosen Reihe von verschlungenen Steinbögen – jeder fünfzig Spannen hoch und fast doppelt so breit. An der Außenseite dieser Mauer wuselte der Verkehr entlang – Kutschen, Karren, Fußgänger –, während sich innerhalb eine Art von Wildnis erstreckte. Der Hain wirkte weder wie ein künstlich angelegter Park noch wie ein wuchernder Urwald. Er erschien wie ein natürlicher Idealzustand, wie der absolut perfekte Wald, der schönste, den man sich vorstellen konnte. Einige Blätter hatten sich schon zu verfärben begonnen, und sogar der kleinste orangefarbene oder gelbe oder rote Fleck inmitten des Grüns schien für Egwene ein Idealbild des Herbstlaubs abzugeben.
    Vereinzelt schlenderten Menschen in dem Hain umher, doch niemand nahm von den Frauen Notiz, als sie unter die Bäume ritten. Die Stadt geriet schnell außer Sicht. Selbst ihr Lärm wurde gedämpft und schließlich vom Wald verschluckt.
    »Am Nordrand des Hains, sagte sie«, murmelte Nynaeve und spähte umher. »Das ist doch wohl schon der nördlichste Punkt …« Sie unterbrach sich, als zwei Pferde aus einem schwarzen Holundergesträuch hervorbrachen; eine dunkle, glänzende Stute mit einer Reiterin und ein leicht beladenes Packpferd.
    Die dunkle Stute bäumte sich auf. Ihre Hufe traten ins Leere, als Liandrin die Zügel hart zu sich her riss. Das Gesicht der Aes Sedai war eine Maske der Wut. »Ich habe euch gesagt, ihr solltet niemandem davon erzählen! Niemandem!« Egwene bemerkte auf dem Packpferd einige Laternen an Stangen und wunderte sich darüber. »Sie sind Freundinnen«, begann Nynaeve. Ihr Rücken versteifte sich, aber Elayne unterbrach sie gleich.
    »Vergebt uns, Liandrin Sedai. Sie haben es uns nicht gesagt; wir haben Euch belauscht. Wir wollten gar nicht hören, was wir nicht wissen sollten, aber wir haben es nun mal gehört. Und wir wollen Rand al’Thor helfen. Und natürlich auch den anderen Jungen«, fügte sie hastig hinzu.
    Liandrin blickte Elayne und Min durchdringend an. Die Spätnachmittagssonne sandte Lichtbalken zwischen den Zweigen hindurch und warf Schatten auf ihre von den Kapuzen teilweise verdeckten Gesichter. »Also«, sagte sie schließlich, beobachtete aber dabei immer noch die beiden. »Ich hatte zwar bereits dafür gesorgt, dass man sich um euch kümmert, aber da ihr nun einmal hier seid, seid ihr eben hier. Vier können diese Reise ebenso gut antreten wie zwei.«
    »Um uns kümmert, Liandrin Sedai?«, fragte Elayne. »Das verstehe ich nicht.«
    »Kind, Ihr und diese andere seid als Freundinnen dieser beiden bekannt. Glaubt Ihr nicht, dass man Euch verhören würde, wenn man ihr Fehlen feststellt? Glaubt Ihr, die Schwarzen Ajah würden euch sanft behandeln, nur weil eine von euch einen Thron erben soll? Wenn ihr in der Weißen Burg geblieben wärt, hättet ihr diese Nacht wohl kaum überlebt.« Das brachte sie einen Moment lang zum Schweigen, doch dann ließ Liandrin ihr Pferd wenden und rief: »Folgt mir!«
    Die Aes Sedai führte sie tiefer in den Hain hinein, bis sie an ein hohes Eisengitter mit rasiermesserscharfen Spitzen kamen. Leicht gekrümmt, als umspanne es eine größere Fläche, verlief das Gitter nach rechts und nach links, bis es unter den Bäumen nicht mehr sichtbar war. Im Gitter befand sich ein Tor mit einem großen Schloss. Liandrin öffnete es mit einem mächtigen Schlüssel, den sie aus ihrem Umhang zog. Sie ließ sie hineinreiten und schloss dann hinter ihnen wieder ab. Sofort ritt sie weiter hinein. Von einem Ast über ihnen keckerte ein Eichhörnchen auf sie herab, und von irgendwoher erklang das harte Trommeln eines Spechts.
    »Wohin reiten wir?«,

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