Die Jagd beginnt
fest daran. Sie würde mindestens noch einmal eine Probe aufs Exempel machen müssen, um ganz sicher zu sein, und das erfüllte sie mit Unbehagen. Genau wie Elayne hatte sie geglaubt, die Damane seien als Gefangene daran interessiert freizukommen, doch es war ausgerechnet die Frau mit dem Halsband gewesen, die Alarm geschlagen hatte.
Ein Mann mit einem zweirädrigen Karren schob sich an ihnen vorbei. Der Karren rumpelte laut über das Kopfsteinpflaster. Wie ein Marktschreier bot er seine Dienste als Scherenschleifer an. »Irgendwie sollten sie Widerstand leisten«, grollte Elayne. »Sie tun immer so, als sähen sie überhaupt nichts, wenn ein Seanchaner an etwas beteiligt ist.«
Nynaeve seufzte nur. Elayne hatte zumindest teilweise Recht – aber das half auch nicht weiter. Zuerst hatte sie geglaubt, diese widerstandslose Ergebenheit der Einwohner von Falme sei lediglich vorgetäuscht, doch sie hatte noch immer kein Anzeichen für den geringsten Widerstand gefunden. Sie hatte sich wirklich danach umgeschaut, da sie hoffte, für die Befreiung Egwenes und Mins Helfer zu finden, aber jeder hatte schon bei der kleinsten Andeutung eines Widerstands gegen Seanchan entsetzt den Rückzug angetreten. So hatte sie es aufgegeben, bevor sie noch mehr Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Sie konnte sich tatsächlich auch nicht vorstellen, wie diese Leute sich zur Wehr setzen sollten. Ungeheuer und Aes Sedai. Wie kann man gleichzeitig gegen Ungeheuer und Aes Sedai kämpfen? Vor ihnen standen nun fünf hohe Steinhäuser, die zu den größten in der Stadt gehörten und zusammen ein geschlossenes Viereck bildeten. Eine Straße davor entdeckte Nynaeve eine kleine Gasse neben einer Schneiderei, von der aus sie die meisten Eingänge zu diesem großen Häuserblock im Auge behalten konnten. Sie konnten nicht alle Eingänge gleichzeitig beobachten, und sie wollte auch nicht, dass Elayne allein einen anderen Posten bezog, aber näher heran wagten sie sich auch nicht. Über den Dächern dieser Häuser flatterte die Flagge mit dem goldenen Falken, dem Abzeichen des Hochlords Turak, im Wind.
Nur Frauen gingen in diese Häuser hinein oder traten heraus, und die meisten davon waren Sul’dam , allein oder in Begleitung von Damane . Die Gebäude waren von den Seanchanern beschlagnahmt worden, um die Damane unterzubringen. Egwene musste sich darin befinden und wahrscheinlich auch Min. Sie hatten Min bisher nicht entdeckt, doch es war möglich, dass sie sich genau wie sie in der Menge verbarg. Nynaeve hatte viel darüber gehört, dass Frauen und Mädchen von der Straße weg oder in den Dörfern gefangen und in diese Häuser gebracht worden waren. Falls sie je wieder gesehen wurden, trugen sie ein Halsband.
Sie setzte sich neben Elayne auf eine leere Kiste und holte sich aus Elaynes Manteltasche einen kleinen Apfel. Hier waren weniger Einheimische auf der Straße zu sehen. Jeder wusste über die Häuser Bescheid und mied sie, genau wie sie die Stallungen mieden, in denen die Seanchaner ihre seltsamen Kreaturen untergebracht hatten. Es war nicht schwer, zwischen den Passanten hindurch die Eingänge zu beobachten. Nur zwei Frauen, die sich ausruhten und einen Bissen aßen; also wieder zwei Menschen, die sich das Essen in einer Schenke nicht leisten konnten. Sie zogen nicht mehr als flüchtige Blicke auf sich.
Nynaeve aß ganz mechanisch und versuchte dabei, Pläne zu schmieden. Wenn sie ein solches Halsband öffnen konnte – falls es wirklich gelänge –, half das gar nichts. Erst einmal mussten sie Egwene aufspüren. Der Apfel schmeckte ihr plötzlich nicht mehr so süß.
Aus dem engen Fenster ihres winzigen Zimmers unter dem Dach, eines von mehreren, die durch Holzverschläge voneinander abgetrennt waren, schaute Egwene in den Garten hinab, in dem die Damane von ihren Sul’dam spazieren geführt wurden. Es hatte ursprünglich mehrere Gärten gegeben, doch die Seanchaner hatten die Trennmauern eingerissen, als sie die Häuser für ihre Damane besetzten. Die Bäume trugen keine Blätter mehr, aber man brachte die Damane trotzdem an die frische Luft, ob sie es wollten oder nicht. Egwene blickte in den Garten hinab, weil sich Renna dort aufhielt und mit einer anderen Sul’dam unterhielt. Solange sie Renna im Auge behielt, konnte sie nicht hereinkommen und sie überraschen.
Es konnte natürlich auch eine andere Sul’dam hereinkommen. Es gab viel mehr Sul’dam als Damane , und jede Sul’dam wollte auch einmal das Armband tragen – sie nannten
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