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Die Jagd beginnt

Die Jagd beginnt

Titel: Die Jagd beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Schlepptau schlurfte eine gebückte Gestalt in einem Lederwams mit gesenktem Kopf und Armen voll mit Bündeln. Moiraine genehmigte sich ein leichtes Lächeln, das sie schnell wieder verschwinden ließ. Wenn das Mädchen in Tar Valon genauso viel Initiative zeigt, dachte sie trocken, dann sitzt sie eines Tages auf dem Amyrlin-Sitz. Falls sie lernt, diese Initiative kontrolliert einzusetzen. Falls es dann noch einen Amyrlin-Sitz gibt, auf dem sie sitzen kann.
    Als sie ihre Aufmerksamkeit wieder den anderen zuwandte, sprach gerade Liandrin: »… und ich würde mich über die Gelegenheit freuen, mehr über Euer Land zu erfahren.« Sie trug ein offenes und beinahe mädchenhaftes Lächeln zur Schau, und ihre Stimme klang freundlich.
    Moiraine zwang ihr Gesicht zur Ausdruckslosigkeit, als Amalisa sie einlud, mit ihr und ihren Hofdamen in ihren privaten Garten zu kommen, und als Liandrin diese Einladung warmherzig akzeptierte. Liandrin hatte wenige Freundinnen und keine Angehörigen außer der Roten Ajah. Und ganz bestimmt keine, die nicht Aes Sedai waren. Sie würde noch eher mit einem Mann oder einem Trolloc Freundschaft schließen. Moiraine war nicht sicher, ob Liandrin einen Unterschied zwischen einem Mann und einem Trolloc sah. Sie war sich da bei keiner der Roten Ajah sicher.
    Anaiya erklärte, dass sie nun zur Audienz bei der Amyrlin gehen müssten. »Natürlich«, sagte Amalisa. »Das Licht leuchte ihr, und der Schöpfer gewähre ihr Sicherheit.« Sie neigte den Kopf, als sie sie verließen.
    Moiraine betrachtete Liandrin beim Weitergehen, sah sie aber nicht direkt an. Die Aes Sedai mit dem honigfarbenen Haar blickte geradeaus. Ihre Rosenknospenlippen waren nachdenklich geschürzt. Sie schien Moiraine und Anaiya vergessen zu haben. Was hat sie vor?
    Anaiya schien nichts Außergewöhnliches bemerkt zu haben, aber andererseits hatte sie schon immer die Menschen sowohl als das akzeptiert, was sie waren, wie auch als das, was sie sein wollten. Es verwunderte Moiraine immer, wie sich Anaiya in der Weißen Burg so gut halten konnte, aber die Intriganten schienen wohl ihre Offenheit und Ehrlichkeit, ihre Bereitschaft, alle zu akzeptieren, für eine schlaue Finte zu halten. Es brachte solche Frauen immer aus dem Gleichgewicht, wenn sich herausstellte, dass sie meinte, was sie sagte, und dass sie sagte, was sie meinte. Und sie besaß außerdem die Fähigkeit, den Dingen auf den Grund zu gehen und hinzunehmen, was sie dort sah. Jetzt kehrte sie ganz selbstverständlich zu den Tagesneuigkeiten zurück.
    »Aus Andor hört man sowohl Gutes wie auch Schlechtes. Die Straßenkämpfe in Caemlyn haben sich seit dem Frühlingsbeginn gelegt, aber es wird noch darüber geklatscht, viel zu viel, dass an dem langen Winter die Königin und genauso Tar Valon die Schuld trügen. Morgase sitzt nicht so sicher wie im letzten Jahr auf dem Thron, aber sie sitzt darauf, und sie wird sich behaupten, solange Gareth Bryne Generalhauptmann der königlichen Garde ist. Und Lady Elayne, die Tochter-Erbin, sowie ihr Bruder, Lord Gawyn, sind sicher in Tar Valon angekommen, um dort ihre Ausbildung zu beginnen. Es gab in der Weißen Burg einige Befürchtungen, die Königin könne mit dieser Sitte brechen.«
    »Nicht, solange Morgase noch atmen kann«, sagte Moiraine.
    Liandrin fuhr leicht zusammen, als sei sie gerade aufgewacht. »Betet darum, dass sie auch weiterhin zum Atmen kommt. Die Reisegesellschaft der Tochter-Erbin wurde bis zum Erinin von den Kindern des Lichts verfolgt. Bis zu den Brücken nach Tar Valon. Außerhalb von Caemlyn lagern noch weitere und warten darauf, Unruhe stiften zu können, und innerhalb Caemlyns haben sie ebenfalls Anhänger.«
    »Vielleicht ist es an der Zeit, dass Morgase ein wenig Vorsicht lernt«, seufzte Anaiya. »Die Welt wird mit jedem Tag gefährlicher, selbst für eine Königin. Möglicherweise gerade für eine Königin. Sie war schon immer ehrgeizig. Ich erinnere mich daran, wie sie als Mädchen nach Tar Valon kam. Sie war nicht begabt genug, um zur Schwester gemacht zu werden, und das ärgerte sie. Manchmal glaube ich, deshalb treibt sie ihre Tochter heute so an, egal, was das Mädchen möchte.«
    Moiraine schnaubte verächtlich. »Elayne wurde mit dem Funken geboren; es hatte nichts mit ›möchten‹ zu tun. Morgase konnte nicht riskieren, das Mädchen wegen mangelnder Ausbildung sterben zu lassen, auch wenn alle Weißmäntel von Amadicia außerhalb Caemlyns lagerten. Sie hätte eher Gareth Bryne und der

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