Die Jagd beginnt
königlichen Garde befohlen, ihr einen Weg hindurch nach Tar Valon mit dem Schwert zu bahnen, und Gareth Bryne würde es tun, auch wenn er es allein wagen müsste.« Aber sie muss das ganze Ausmaß an Talent geheim halten, über das das Mädchen verfügt. Würde das Volk von Andor Elayne immer noch auf dem Löwenthron als Morgases Nachfolgerin akzeptieren, wenn es davon wüsste? Nicht nur eine Königin, die der Sitte entsprechend in Tar Valon ausgebildet wurde, sondern eine richtige Aes Sedai? In der gesamten durch schriftliche Zeugnisse belegten Geschichte hatte es nur eine Hand voll Königinnen gegeben, die sich mit Recht Aes Sedai nennen durften, und die wenigen, die das bekannt gegeben hatten, hatten es allesamt bereut. Sie fühlte Traurigkeit in sich aufsteigen. Aber es ging um zu viel, als dass man nur einem einzigen Land und einem einzigen Thron zu viel Hilfe, zu viel Sorge widmen konnte. »Was gibt es sonst noch, Anaiya?«
»Bestimmt habt Ihr gehört, dass in Illian zum ersten Mal seit vierhundert Jahren wieder die Wilde Jagd nach dem Horn freigegeben wurde. Die Illianer behaupten, die Letzte Schlacht sei nahe …« – Anaiya schauderte ein wenig, was verständlich war, fuhr aber ohne Unterbrechung fort – »… und das Horn von Valere müsse vor der endgültigen Schlacht gegen den Schatten gefunden werden. Männer aus allen Ländern versammeln sich. Alle wollen Teil einer Legende werden und das Horn finden. Murandy und Altara sind natürlich in Aufruhr und glauben, es sei alles nur eine Finte, um gegen eines von ihnen vorzurücken. Vielleicht haben die Murandianer deshalb ihren falschen Drachen so schnell eingefangen. Jedenfalls wird es eine Menge neuer Geschichten für die Barden und Gaukler geben, die sie dem Zyklus hinzufügen können. Das Licht möge es dabei bleiben lassen, dass es nur neue Geschichten sind.«
»Vielleicht nicht die Geschichten, die sie erwarten«, sagte Moiraine. Liandrin sah sie scharf an, und sie machte ein unbeteiligtes Gesicht.
»Ich glaube nicht«, sagte Anaiya gelassen. »Es werden jene Geschichten sein, die sie am wenigsten erwarten, aber dem Zyklus schließlich hinzufügen. Ansonsten kann ich Euch nur Gerüchte bieten. Die Meerleute sind ganz erregt. Ihre Schiffe segeln fast ohne Pause von Hafen zu Hafen. Schwestern von den Inseln sagen, dass der Coramoor, ihr Erwählter Herrscher, kommt, aber mehr wissen sie nicht zu sagen. Ihr wisst, wie schweigsam die Atha’an Miere Fremden gegenüber sind, wenn es um den Coramoor geht, und in dieser Hinsicht verstehen sich unsere Schwestern eher als Mitglieder des Meervolks denn als Aes Sedai. Auch die Aiel scheinen sich zu rühren, aber niemand weiß, warum. Bei den Aiel weiß man das nie. Aber wenigstens deutet nichts darauf hin, dass sie das Rückgrat der Welt wieder überqueren wollen, dem Licht sei Dank.« Sie seufzte und schüttelte den Kopf. »Was würde ich nicht darum geben, wenn wir wenigstens eine Schwester aus dem Volk der Aiel hätten. Nur eine. Wir wissen zu wenig über sie.«
Moiraine lachte. »Manchmal glaube ich, Ihr gehört zu den Braunen Ajah, Anaiya.«
»Die Ebene von Almoth«, sagte Liandrin und sah dann überrascht darüber aus, dass sie es gesagt hatte.
»Also, das ist nun wirklich ein Gerücht, Schwester«, sagte Anaiya. »Nur ein paar Worte hier und da, die wir hörten, als wir Tar Valon verließen. Es könnte auf der Ebene von Almoth und vielleicht auf der Toman-Halbinsel Gefechte gegeben haben. Ich sage: es könnte. Es war nur wenig, was darauf hinwies. Gerüchte von Gerüchten. Wir reisten ab, bevor wir mehr erfahren konnten.«
»Es müsste sich dann wohl um Tarabon und Arad Doman handeln«, sagte Moiraine und schüttelte den Kopf. »Sie haben sich mehr als dreihundert Jahre lang um die Ebene von Almoth gestritten, aber es ist nie zum offenen Krieg gekommen.« Sie sah Liandrin an; von Aes Sedai erwartete man, dass sie ihre alten Bindungen an Länder und Herrscher ablegten, aber das gelang nur wenigen vollständig. Es war schwierig, nichts mehr für das Land zu empfinden, in dem man geboren war. »Warum also jetzt?«
»Genug geschwätzt«, warf die Frau mit dem honigfarbenen Haar zornig ein. »Auf Euch, Moiraine, wartet die Amyrlin.« Sie machte drei kurze Schritte vorwärts und stieß eine hohe Tür auf. »Auf Euch wartet bei der Amyrlin kein Geschwätz.«
Moiraine berührte unbewusst die Tasche an ihrem Gürtel und ging an Liandrin vorbei durch die Tür. Sie nickte ihr noch kurz zu, als halte ihr
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