Die Jagd beginnt
ENDE, AL’THOR.
Sein Schwert fiel ihm aus der plötzlich tauben Hand. Er wandte den Blick nicht von der Tür, als er sich bückte, um es aufzuheben. Doch statt des Schwerts griff er sich eine Hand voll Stroh und begann, wild die Worte an der Tür wegzureiben. Schwer atmend schrubbte er, bis nur ein blutiger Schmierer übrig war, doch er konnte nicht aufhören.
»Was macht Ihr da?«
Als die scharfe Stimme hinter ihm erklang, wirbelte er herum und bückte sich dabei, um sein Schwert zu ergreifen.
Eine Frau stand in der Tür. Sie wirkte starr vor Zorn. Ihr Haar war wie blasses Gold; in zahlreichen Lockensträngen hing es ihr auf die Schultern. Ihre Augen waren dunkel und blickten ihn scharf an. Sie sah nicht viel älter aus als er und war auf eine gewisse Art hübsch, aber um ihren Mund lag ein harter Zug, der ihm nicht gefiel. Dann sah er die Stola, die sie eng um sich geschlungen hatte, mit den langen roten Fransen.
Aes Sedai. Und Licht, hilf mir – sie gehört zu den Roten Ajah. »Ich … ich wollte gerade … Das ist eine schmutzige Sache. Schlimm.«
»Alles muss genauso gelassen werden, damit wir es untersuchen können. Berührt nichts.« Sie trat einen Schritt vor und musterte ihn. Er trat einen Schritt zurück. »Ja. Ja, ich dachte es mir. Einer von denen bei Moiraine. Was habt Ihr damit zu tun?« Ihre Geste umfasste die Köpfe auf dem Tisch und die blutigen Schmierereien an den Wänden.
Er sah sie mit weit aufgerissenen Augen an. »Ich? Nichts! Ich kam hier herunter, um jemanden zu suchen … Egwene!«
Er wandte sich der Innentür zu, um sie zu öffnen, da schrie ihn die Aes Sedai an: »Nein! Ihr werdet mir jetzt antworten!«
Plötzlich war alles, was er noch fertig bringen konnte, aufzustehen und Lampe und Schwert festzuhalten. Von allen Seiten drückte eisige Kälte gegen ihn. Sein Kopf war wie in einer gefrorenen Klammer gefangen. Er konnte kaum atmen, so stark war der Druck auf seine Brust.
»Antwortet mir, Junge! Sagt mir Euren Namen!«
Gegen seinen Willen entwich ihm ein Laut. Er versuchte, gegen die Kälte anzukämpfen, die sein Gesicht in den Schädel hineindrücken wollte und seinen Brustkorb wie mit Eisenklammern zusammenschnürte. Er biss die Zähne zusammen, um sich am Sprechen zu hindern. Unter Schmerzen rollte er mit den Augen und funkelte sie durch einen Tränenvorhang hindurch an. Das Licht soll dich versengen, Aes Sedai! Ich sage kein Wort. Der Schatten soll dich verschlingen!
»Antwortet mir, Junge! Sofort!«
Eisnadeln durchdrangen schmerzhaft sein Gehirn und knirschten in seine Knochen hinein. Das Nichts formte sich in ihm, bevor ihm auch nur bewusst wurde, dass er daran dachte, aber es konnte den Schmerz nicht abhalten. Verschwommen spürte er Licht und Wärme irgendwo in einiger Entfernung. Es flackerte bedenklich, doch das Licht war warm, und ihm war kalt. Unendlich fern und doch gerade an der Grenze seiner Reichweite. Licht, es ist so kalt. Ich muss … das … erreichen. Sie bringt mich um. Ich muss es erreichen, oder sie bringt mich um. Verzweifelt streckte er sich nach dem Licht.
»Was geht hier vor?«
Mit einem Schlag verschwanden Kälte und Druck und die Nadeln. Seine Knie wurden weich, aber er drückte sie mit Gewalt durch. Er würde nicht auf die Knie fallen – die Befriedigung würde er ihr nicht gönnen. Das Nichts war auch weg, so schnell es sich gebildet hatte. Sie hat versucht, mich zu töten. Schwer atmend hob er den Kopf. Moiraine stand in der Tür.
»Ich fragte, was hier vorgeht, Liandrin«, sagte sie.
»Ich fand diesen Jungen hier«, antwortete die Aes Sedai gelassen. »Die Wachen wurden ermordet, und er ist hier. Einer von Euren. Und was macht Ihr hier, Moiraine? Der Kampf findet oben statt und nicht hier.«
»Dasselbe könnte ich Euch fragen, Liandrin.« Moiraine sah sich im Raum um, und ihr Mund verzog sich kaum merklich beim Anblick des Blutbads. »Warum seid Ihr hier?«
Rand wandte sich von ihnen ab, schob ungeschickt die Riegel an der Innentür auf und öffnete die Tür. »Egwene ist hier heruntergekommen«, eröffnete er jedem, den es interessierte, und dann ging er mit hoch erhobener Lampe hinein. Seine Knie wollten immer noch nachgeben, und er war nicht sicher, wie er sich überhaupt auf den Beinen hielt, er wusste nur, dass er Egwene finden musste. »Egwene!«
Ein hohles Gurgeln und ein Geräusch, als schlage jemand um sich, erklangen zu seiner rechten Seite, und er hob die Lampe in dieser Richtung. Der Gefangene in dem Festtagsmantel sackte
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