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Die Jagd beginnt

Die Jagd beginnt

Titel: Die Jagd beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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heruntergekommen, um nachzusehen, ob Egwene in Sicherheit ist. Sie war in den Kerker gegangen, um Fain zu besuchen und …«
    »Dann geht und kümmert Euch um sie.«
    Rand schluckte. »Wir kämpfen Seite an Seite, Ingtar.«
    »Ihr seid noch nicht so weit. Geht und schaut nach Eurem Mädchen. Geht! Wollt Ihr, dass die Trollocs sie ungeschützt vorfinden?«
    Einen Moment lang stand Rand unentschlossen da. Der Blasse hatte sein Schwert gegen Ingtar erhoben. Ein lautloses Knurren umspielte Ingtars Mund, aber Rand wusste, dass es kein Zeichen der Angst war. Und Egwene war vielleicht allein mit Fain im Kerker. Trotzdem schämte er sich, als er in Richtung der Treppen losrannte, die nach unten führten. Er wusste, dass ein Blasser jedem Mann mit seinem Blick Angst einjagen konnte, doch Ingtar hatte den Schrecken überwunden. Rand hatte immer noch einen Kloß im Magen.
    In den Gängen unter der Festung war es still. Sie waren nur schwach durch flackernde Lampen erleuchtet, die in größeren Abständen an den Wänden hingen. Er verlangsamte seine Schritte, als er sich dem Kerker näherte. Er schlich auf Zehenspitzen näher heran. Das Scharren seiner Stiefel auf dem nackten Boden hallte laut in seinen Ohren. Die Tür zum Kerker stand eine Handbreit offen. Sie hätte geschlossen und verriegelt sein sollen.
    Er sah die Tür an, wollte schlucken und konnte es nicht. Er öffnete den Mund, um zu rufen, schloss ihn aber schnell wieder. Falls Egwene dort drinnen und in Schwierigkeiten war, würde ein Ruf denjenigen warnen, der sie gefährdete. Oder dasjenige. Oder was auch immer. Er holte tief Luft und riss sich zusammen.
    In einer fließenden Bewegung drückte er die Tür weit auf, die Scheide in der linken Hand, und sprang in den Kerker hinein. Er nahm die Schulter nach unten, rollte sich im den Boden bedeckenden Stroh ab und stand wieder auf den Füßen. Er wirbelte so schnell nach der einen und dann nach der anderen Seite herum, dass er den Raum nur undeutlich sehen konnte. Er hielt verzweifelt Ausschau nach einem möglichen Angreifer und nach Egwene. Es war niemand da.
    Sein Blick fiel auf den Tisch, und er blieb wie angewurzelt stehen. Der Atem und selbst die Gedanken stockten ihm. Zu beiden Seiten der immer noch brennenden Lampe, die so zum Mittelpunkt wurde, lagen die Köpfe der Wachen in zwei Blutlachen. Ihre Augen starrten ihn an, vor Furcht weit aufgerissen, und ihre Münder standen zu einem letzten Schrei offen, den niemand mehr hören konnte. Rand würgte und bückte sich schnell. Wieder und wieder übergab er sich ins Stroh hinein. Schließlich schaffte er es, sich wieder aufzurichten. Er wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. Im Hals hatte er ein Gefühl, als habe man ihn ausgeschabt.
    Langsam sickerte auch der Anblick des restliches Raums in sein Bewusstsein. Vorher hatte er ihn nur halb wahrgenommen, als er hastig nach einem Angreifer gesucht hatte. Blutige Fleischklumpen lagen auf dem Stroh herum. Nichts war mehr als menschlich zu identifizieren, bis auf die beiden Köpfe. Einige Klumpen wirkten angenagt. Das ist also mit ihren Körpern passiert . Er war überrascht, dass er sich das so ruhig sagen konnte, beinahe, als habe er das Nichts heraufbeschworen, ohne es auch nur richtig zu versuchen. Es musste der Schock sein – das wurde ihm so nebenbei klar.
    Er erkannte keinen der Köpfe; man hatte die Wachen gewechselt, seit er dagewesen war. Darüber war er froh. Zu wissen, wer sie waren, hätte selbst im Falle von Changu alles noch schlimmer gemacht. Auch die Wände waren mit Blut verschmiert, aber in Form von hingekritzelten Buchstaben, einzelnen Wörtern und ganzen Sätzen, die überall verteilt waren. Einiges davon sah ungelenk und kantig aus. Es war in einer Sprache geschrieben, die er nicht verstand; er erkannte aber die Trolloc-Schrift. Anderes konnte er lesen und wünschte, er verstünde es nicht. Blasphemien und Obszönitäten, die selbst einen Stallburschen oder den Leibwächter eines Kaufmanns hätten erblassen lassen.
    »Egwene!« Seine Ruhe verflog augenblicklich. Er schob die Scheide durch seinen Gürtel, schnappte sich die Lampe vom Tisch und bemerkte kaum, wie die Köpfe umfielen. »Egwene! Wo bist du?«
    Er wollte zur Innentür gehen, machte auch zwei Schritte in die Richtung und blieb mit aufgerissenen Augen stehen. Die Worte auf der Tür, die im Lichtschein seiner Lampe dunkel und feucht glänzten, waren deutlich genug:
     
    WIR WERDEN UNS AUF DER TOMAN-HALBINSEL WIEDERSEHEN.
    ES IST NIE ZU

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