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Die Jagd beginnt

Die Jagd beginnt

Titel: Die Jagd beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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vorbeikam. Sie hatte die gleichen Probleme schon hundertmal im Kopf gewälzt, aber das war das erste Mal gewesen, dass sie dabei laut gesprochen hatte. Sie fluchte leise vor sich hin, aber als ihr klar wurde, was sie tat, presste sie die Lippen fest zusammen.
    Sie sah schließlich ein, dass ihre Suche vergebens war, und dann sah sie Lan, der mit dem Rücken zu ihr an einer Schießscharte stand und auf den äußeren Hof hinunterblickte. Von unten schallte der Lärm von Pferden und Männern empor: Wiehern und Geschrei. Lan war so konzentriert, dass er sie dieses eine Mal tatsächlich nicht zu bemerken schien. Sie hasste es, dass sie sich ihm niemals unbemerkt nähern konnte, so leise sie sich auch bewegte. Zu Hause in Emondsfelde hatte sie als gute Waldläuferin gegolten, obwohl der Waldlauf kein Zeitvertreib war, an dem viele Frauen Interesse zeigten.
    Sie blieb sofort stehen und presste sich die Hände auf den Bauch, um das nervöse Flattern zu bekämpfen. Ich sollte Rannel und Schafzungenwurzel benutzen, um mich zu betäuben . Das war die Mixtur, die sie allen gab, die herumhingen und behaupteten, sie seien krank, oder sich überhaupt wie dumme Gänse benahmen. Rannel und Schafzungenwurzel weckten die Lebensgeister ein wenig und schadeten nicht, aber vor allem schmeckte das Zeug furchtbar, und der Geschmack hielt den ganzen Tag an. Es war eine perfekte Kur für jemanden, der sich wie ein Narr aufführte.
    Vor seinen Blicken sicher, betrachtete sie ihn von oben bis unten, wie er an der Steinwand lehnte und sich über das Kinn strich, während er die Vorgänge im Hof beobachtete. Er ist zum einen zu groß und auch noch alt genug, um mein Vater zu sein. Ein Mann mit einem solchen Gesicht muss doch grausam sein. Nein, das ist er nicht. Niemals. Und er war ein König. Sein Land wurde zerstört, als er noch ein Kind war, und er beanspruchte keine Krone, doch er war trotzdem ein König. Was kann ein König schon von einer Dorfschönen wollen. Außerdem ist er ja auch ein Behüter und ist mit Moiraine den Behüterbund eingegangen. Sie besitzt seine Loyalität bis zum Tod, und das ist eine engere Verbindung als die Liebe. Sie hat ihn. Sie hat alles, was ich will; das Licht versenge sie!
    Er drehte sich um, und sie wollte weghuschen.
    »Nynaeve.« Seine Stimme fing sie und hielt sie fest wie eine Schlinge. »Ich wollte allein mit dir sprechen. Du scheinst dich immer in den Frauenquartieren oder in Gesellschaft aufzuhalten.«
    Es kostete sie Mühe, ihn anzusehen, aber als sie zu ihm aufblickte, war sie sicher, dass ihre Gesichtszüge ruhig wirkten. »Ich suche Rand.« Sie dachte nicht daran zuzugeben, dass sie ihn mied. »Wir haben uns alles Nötige gesagt, bereits vor längerer Zeit, du und ich. Ich habe mich erniedrigt – was ich nie wieder tun werde –, und du sagtest mir, ich solle gehen.«
    »Ich habe nie gesagt …« Er holte tief Luft. »Ich sagte dir, ich habe nichts als Witwenkleider, die ich dir als Brautgeschenk bieten könnte. Kein Geschenk, das ein Mann einer Frau gibt. Kein Mann jedenfalls, der sich noch Mann nennt.«
    »Ich verstehe«, sagte sie kühl. »Auf jeden Fall gibt ein König einer Frau vom Dorf keine Geschenke. Und ich als Landpomeranze würde sie auch nicht annehmen. Hast du Rand gesehen? Ich muss mit ihm sprechen. Er war bei der Amyrlin. Weißt du, was sie von ihm wollte?«
    Seine Augen blitzten wie blaues Eis im Sonnenschein. Sie versteifte sich, damit sie nicht zurückwich, und sah ihn genauso wütend an.
    »Der Dunkle König soll Rand al’Thor und die Amyrlin holen«, murrte er und drückte ihr etwas in die Hand. »Ich werde dir ein Geschenk geben, und du wirst es annehmen, und wenn ich es dir um den Hals binden muss.«
    Sie riss den Blick von seinem los. Wenn er wütend war, hatte er den Ausdruck eines blauäugigen Falken. In ihrer Hand lag ein Siegelring aus schwerem Gold, vom Alter abgenützt. Er war beinahe groß genug, dass ihre beiden Daumen hindurchgepasst hätten. Darauf flog ein Kranich über einer Lanze und einer Krone. Alles war sorgfältig und fein detailliert eingraviert. Ihr stockte der Atem. Der Königsring von Malkier. Sie vergaß, böse dreinzublicken, und hob das Gesicht. »Das kann ich nicht annehmen, Lan.«
    Er tat es mit einem Achselzucken ab. »Es ist nichts. Alt und nutzlos ist er jetzt. Aber es gibt welche, die ihn erkennen würden, wenn sie ihn sehen. Zeige ihn, und du genießt Gastrecht und Hilfe, wenn du sie brauchst, und zwar von jedem Lord in den Grenzlanden.

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