Die Jagd beginnt
bezog Kraft aus seiner angeborenen Starrköpfigkeit und zwang sich zum Aufstehen. Tritt ihm aufrecht gegenüber. Wenigstens kannst du dir deinen Stolz bewahren. Die drei Aes Sedai beobachteten ihn ausdruckslos.
»Was …« Mit Mühe beherrschte er seine Stimme. »Was werdet Ihr mit mir machen?«
»Nichts«, sagte die Amyrlin, und er riss die Augen auf. Das war nicht die Antwort, die er erwartet hatte. »Wenn Ihr sagt, Ihr möchtet Eure Freunde und Ingtar begleiten, dann könnt Ihr das tun. Ich habe Euch nicht auf irgendeine Weise hervorgehoben. Ein paar der Schwestern wissen vielleicht, dass Ihr ta’veren seid, aber nicht mehr. Nur wir drei wissen, wer Ihr wirklich seid. Euer Freund Perrin wird zu mir gebracht werden, genau wie Ihr, und ich werde Euren anderen Freund im Lazarett besuchen. Ihr könnt tun, was Ihr wollt, ohne Angst haben zu müssen, dass wir die Roten Schwestern auf Euch hetzen.«
Wer Ihr wirklich seid. Zorn stieg in ihm auf, heiß und beißend. Er zwang ihn nieder. »Warum?«
»Die Prophezeiungen müssen erfüllt werden. Wir lassen Euch in vollem Bewusstsein dessen, was Ihr seid, laufen, denn sonst wird die Welt, wie wir sie kennen, sterben und der Dunkle König wird die Erde mit Feuer und Tod überziehen. Versteht mich recht: Nicht alle Aes Sedai denken so; Es gibt welche in Fal Dara, die Euch niederstrecken würden, wüssten sie nur ein Zehntel von dem, was Ihr seid, und sie würden sich nicht mehr schuldig fühlen, als schnitten sie einem Fisch den Kopf ab. Aber andererseits gibt es Männer, die zweifellos zuvor mit Euch gelacht haben und trotzdem das Gleiche täten, wenn sie Bescheid wüssten. Seid vorsichtig, Rand al’Thor, Wiedergeborener Drache.«
Er sah eine nach der anderen an. Eure Prophezeiungen gehen mich nichts an. Sie erwiderten seinen Blick so ruhig – es war kaum zu glauben, dass sie ihn zu überzeugen versuchten, er sei der meistgehasste, meistgefürchtete Mann in der Geschichte der Welt. Er hatte die Zone der Angst durchschritten und war auf der anderen Seite in etwas Kaltes hineingeraten. Der Zorn war alles, was ihn warm hielt. Sie konnten ihn einer Dämpfung unterziehen oder ihn auf dem Fleck zu einem Häufchen Asche verbrennen – es berührte ihn nicht mehr.
Ein Teil von Lans Belehrungen kam ihm wieder zu Bewusstsein. Mit der linken Hand am Schwertgriff gab er dem Schwert einen sanften Stoß nach hinten und fing die Scheide mit der Rechten ab. Dann verbeugte er sich mit gestreckten Armen. »Mit Eurer Erlaubnis, Mutter, darf ich diesen Ort verlassen?«
»Ich gebe Euch die Erlaubnis zu gehen, mein Sohn.«
Er richtete sich auf und stand noch einen Augenblick lang da. »Ich lasse mich nicht benutzen«, sagte er ihnen. Als er sich umdrehte und ging, herrschte Schweigen.
Das Schweigen dehnte sich im Raum, nachdem Rand gegangen war, bis es schließlich durch einen langen Seufzer der Amyrlin gebrochen wurde. »Ich kann mir nicht helfen, ich fühle mich nicht wohl bei dem, was wir gerade getan haben«, sagte sie. »Es war notwendig, aber … Hat es die gewünschte Wirkung hinterlassen, Töchter?«
Moiraine schüttelte den Kopf. Es war nur die Andeutung einer Bewegung. »Ich weiß nicht. Aber es war und ist nötig.«
»Nötig«, stimmte Verin zu. Sie berührte ihre Stirn und betrachtete dann die Feuchtigkeit an ihren Fingern. »Er ist stark. Und genauso stur, wie Ihr gesagt habt, Moiraine. Viel stärker, als ich erwartet hatte. Wir müssen ihn vielleicht doch noch einer Dämpfung unterziehen, bevor …« Ihre Augen weiteten sich. »Aber das können wir nicht, oder? Die Prophezeiungen. Licht, vergib uns, dass wir so etwas auf die Welt loslassen.«
»Die Prophezeiungen«, sagte Moiraine und nickte bedächtig. »Hinterher werden wir tun, was sein muss. So wie jetzt auch.«
»Das müssen wir«, sagte die Amyrlin. »Ja. Aber Licht hilf uns allen, wenn er lernt, die Macht zu beherrschen.«
Wieder breitete sich Schweigen aus.
Ein Sturm war im Anzug. Nynaeve fühlte ihn kommen. Ein schlimmer Sturm, schlimmer als jeder, den sie bisher erlebt hatte. Sie konnte dem Wind lauschen und hören, wie sich das Wetter entwickeln würde. Alle Dorfheilerinnen behaupteten, dazu fähig zu sein, auch wenn es manche gar nicht konnten. Nynaeve hatte ihre Fähigkeit früher eher geschätzt als jetzt, nachdem sie wusste, dass es eine Spielart der Einen Macht war. Jede Frau, die dem Wind lauschen konnte, konnte auch die Macht lenken, obwohl es den meisten wahrscheinlich ebenso wie ihr erging, dass
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