Die Jagd des Adlers
sogleich die Pfeile an, spannten die Bögen, richteten sie in dem für diese Entfernung notwendigen Winkel aus und schossen. Die erste, noch ungeordnete Pfeilreihe ging über der Menge nieder und tötete eine Handvoll Feinde, bevor Bannus’ Männer fliehen und in Deckung gehen konnten. Noch mehr wurden getroffen, als die Pfeile immer dichter zu fliegen begannen. Dann traf ein Schuss einen der Römer am Kreuz, bohrte sich in dessen Hals … Der Mann zuckte hin und her und schien noch einen Augenblick lang gegen die Verletzung anzukämpfen, doch schon kurz darauf hing er nur noch schlaff und stumm vom Holz herab.
»Sie treffen unsere Leute«, sagte Cato entsetzt. »Du musst ihnen befehlen aufzuhören.«
»Nein.« Macro schüttelte den Kopf. »Genau das hatte ich gehofft.«
Cato starrte ihn an. »Was?«
Macro ignorierte ihn und rief den Bogenschützen zu: »Ausgezeichnet, Männer! Dranbleiben! Zeigt’s ihnen!«
Die Bogenschützen schossen, so schnell sie konnten. Sie hatten keine Zeit, der Flugbahn ihrer Pfeile zu folgen, sodass sie nicht bemerkten, dass sie vor allem ihre Kameraden trafen. Macro wartete, bis die Feinde auseinandergestoben und die gefangenen Römer verstummt waren, bevor er den Schützen den Befehl gab, den Beschuss einzustellen. Erst jetzt erkannten die Soldaten, welche Folgen ihr Pfeilhagel gehabt hatte, und sie sahen in benommenem Schweigen zu den feindlichen Linien, bis ein neuer Befehl Macros dröhnend über die Festung hinweghallte.
»Die erste Hundertschaft bleibt auf dem Posten! Die anderen gehen zum Frühstück!«
Als die Männer langsam von der Mauer stiegen, schlug Macro mit der Faust auf die Brüstung. »Offiziere! Sorgt dafür, dass die Männer einen Zahn zulegen. Sie werden nicht nach Stunden bezahlt!«
Er starrte den Offizieren nach, als sie davoneilten, um seinen Befehl auszuführen, und schon bald verteilte sich nur noch eine deutlich geringere Anzahl von Soldaten entlang der Mauer. Endlich nickte Macro zufrieden. »Ich möchte nicht, dass unsere Männer diesem Anblick länger als unbedingt notwendig ausgesetzt sind. Ich will, dass sie sich auf den Kampf konzentrieren – nicht auf das, was möglicherweise danach geschieht.«
»Wenn sie wissen, was Bannus mit ihnen vorhat, werden sie kämpfen bis in den Tod.«
»Vielleicht«, erwiderte Macro. »Aber sie werden nicht so gut kämpfen, wenn ich ihnen Gelegenheit gebe, über das Schicksal dieser armen Kerle dort drüben nachzugrübeln.«
Cato verstand diese Überlegung gut. Macro hatte bewiesen, dass er ein feines Gespür dafür besaß, wie Soldaten dachten, und selbst wenn die Männer von Bushir dem Untergang geweiht waren, würde Macro dafür sorgen, dass sie sich nur mit einer einzigen Sache beschäftigten – nämlich damit, so viele Feinde wie möglich zu erwischen, bevor sie selbst getötet wurden. Cato begriff, dass sich sein Freund bis zum letzten Augenblick eine professionelle Haltung bewahren würde. Und es bestand durchaus die Möglichkeit, dass dieser »letzte Augenblick« schon in den nächsten Tagen kommen würde. Cato sah wieder zu den Leichen hinüber, die an den Kreuzen hingen.
»War es wirklich nötig, sie zu töten?«
Macro schnaubte. »Was hättest du denn getan? Sie hängen lassen, nur damit sie einen langen, qualvollen Tod sterben? Es war ein Akt der Gnade, Cato.«
Cato runzelte die Stirn, als ihm ein unangenehmer Gedanke kam. »Was wäre gewesen, wenn ich zusammen mit Sycorax und den anderen dem Feind letzte Nacht in die Hände gefallen wäre? Hättest du den Bogenschützen dann den Befehl gegeben, mich auch zu erschießen?«
Ein amüsierter Ausdruck huschte über Macros Gesicht. »Natürlich hätte ich das. Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern. Und glaub mir, wenn sie dich neben diesen Männern ans Kreuz genagelt hätten, wärst du mir dafür dankbar gewesen.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
»Nun, ich hätte dir keine Wahl gelassen.« Macro lächelte grimmig, bevor er in ernsterem Ton fortfuhr: »Und wenn ich da draußen gewesen wäre, hätte ich von dir erwartet, dass du dasselbe für mich tust. Das Problem ist nur, ich bin nicht sicher, ob du den Mumm hast, die Sache durchzuziehen … Hast du ihn?«
Cato sah ihn einen Moment lang an. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich weiß einfach nicht, ob ich das tun könnte.«
Macro zog einen traurigen Schmollmund. »Du bist ein guter Mann, ein guter Soldat und ein guter Offizier – meistens. Wenn wir heil aus dieser Sache
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