Die Jagd nach dem Meteore
zum schlimmsten Ärger Miß Loos und der alten Mitz schien jetzt die Hochzeit, wenn nicht ganz in Frage gestellt, doch bis zu einem unbestimmten und wahrscheinlich sehr entfernten Zeitpunkte verschoben zu sein.
Diese schon sehr ernste Sachlage sollte aber sogar noch weiter verschlimmert werden.
Am Abend des 11. Mai hatte Mr. Dean Forsyth das Auge, wie gewöhnlich, an das Okular des Teleskops geheftet, als er plötzlich mit halbersticktem Aufschrei von dem Instrumente aufsprang, nachdem er einige Worte auf ein Blatt Papier gekritzelt hatte, auf seinen Platz zurückkehrte, dann sich wieder davon entfernte und nochmals dahin zurückging und das in gleicher Weise fortsetzte, bis das Meteor unter dem Horizonte verschwunden war.
Mr. Dean Forsyth war dabei so wachsbleich geworden und atmete so mühsam, daß Omikron, in der Meinung, sein Herr sei erkrankt, ihm zu Hilfe eilte. Dieser wies ihn jedoch mit einer Handbewegung ab und flüchtete sich, taumelnd wie ein Betrunkener, in sein Arbeitszimmer, das er fest verschloß.
Seit dieser Minute hatte niemand Mr. Dean Forsyth wiedergesehen. Dreißig Stunden lang war er ohne Speise und Trank geblieben. Ein einziges Mal war es Francis gelungen, die Tür mit Gewalt zu öffnen, freilich nur so weit, daß dabei ein Spalt entstand, durch den er seinen Onkel so zusammengebrochen und mit so wahnsinnig stieren Augen sitzen sah, daß er, ohne ein Wort zu sagen, auf der Schwelle stehen blieb.
»Was willst du hier? fragte Mr. Forsyth unwirsch.
– Aber, lieber Onkel, rief Francis bittend hinein, du hast dich nun schon seit vierundzwanzig Stunden hier eingeschlossen! Erlaube mir wenigstens, dir etwas zu essen zu bringen.
– Ich brauche nichts, hatte Mr. Dean Forsyth darauf geantwortet, nichts als Ruhe und Frieden, und du wirst mir einen besondren Gefallen erweisen, mich in meiner Einsamkeit nicht weiter zu stören.«
Einer solchen und so bestimmt ausgesprochenen Antwort gegenüber, die doch so freundlich erteilt wurde, wie das Francis sonst gar nicht zu hören gewöhnt war, hatte dieser nicht den Mut, sein Anerbieten zu wiederholen. Das wäre auch kaum möglich gewesen, da die Tür bei den letzten Worten des Astronomen schon wieder zugeschlagen worden war. Sein Neffe hatte also umkehren müssen, ohne etwas erfahren zu haben.
Am Vormittage des 13. Mai, zwei Tage vor der geplanten Hochzeit, sprach sich Francis zum zwanzigsten Male über diese neue Ursache von Besorgnis gegen Mrs. Hudelson aus, die ihm seufzend zuhörte.
»Ich begreife nicht, was hier vorliegt, sagte sie endlich. Man möchte fast glauben, daß Mister Forsyth und mein Mann völlig den Verstand verloren hätten.
– Was sagen Sie, rief Francis erstaunt, auch Ihr Mann? Wäre auch dem lieben Doktor etwas zugestoßen?
– Ohne Zweifel, erwiderte Mrs. Hudelson. Die beiden Herren scheinen sich das Wort darauf gegeben zu haben, es immer einander gleich zu tun. Bei meinem Manne ist die Krisis nur etwas später eingetreten, das ist alles. Erst gestern Morgen hat er sich in sein Arbeitskabinett eingeriegelt. Später hat ihn niemand wiedergesehen, und da können Sie sich unsre Beunruhigung wohl vorstellen.
– Darüber könnte man den Verstand verlieren! rief Francis.
– Was Sie mir von Mister Forsyth mitteilen, fuhr Mrs. Hudelson fort, läßt mich vermuten, daß beide gleichzeitig an ihrer unseligen Feuerkugel irgend etwas Neues bemerkt haben. Bei ihrer geistigen Verfassung kann ich mir davon leider nichts Gutes versprechen.
– Ach, wenn ich hier etwas zu befehlen hätte! mischte sich jetzt Loo ein.
– Nun, was würdest du denn da tun, lieber Wildfang? fragte Francis Gordon.
– Was ich tun würde?… O, sehr einfach: die abscheuliche goldne Kugel ließe ich so weit… so weit verschwinden, daß sie auch mit dein allerbesten Fernrohre nicht mehr zu sehen wäre!«
Wenn die Feuerkugel verschwand, hätte das ja vielleicht dem Mr. Forsyth und dem Doktor Hudelson ihre Ruhe wiedergegeben. Wer weiß auch, ob nicht ihre törichte Eifersucht, wenn das Meteor nicht mehr wiederkehrte, mit einem Schlage geheilt gewesen wäre.
Leider deutete nichts darauf hin, daß dieser Fall eintreten könnte. Die Feuerkugel würde auch am Hochzeitstage an ihrer Stelle sein… ebenso nachher wie für immer, da sie mit ungestörter Regelmäßigkeit ihrer unveränderlichen Kreisbahn folgte.
»Nun, wir werden ja sehen, schloß Francis das Gespräch. Binnen achtundvierzig Stunden müssen sie sich entschieden haben, dann wissen wir ja, woran wir
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