Die Jagd nach Millionen
Prickett vor sich hin.
»Wenn die für einen andern ein Herz haben
könnte, wie für den alten Schwachkopf, was
für eine Frau das wäre!«
Er wartete lange und geduldig. Der Zug rollte und rollte
weiter und weiter; das einförmige Geräusch der
Räder ließ die Zeit noch länger erscheinen.
Allmählich ließ das heftigste Schluchzen nach, und
Prickett wagte sich wieder in Maries Nähe.
»Es ist schade, furchtbar schade!« bemerkte
er. »Sie haben auch keinen Zweifel, daß es der Schatz
ist?«
»Wie wäre da ein Zweifel möglich?
Die Höhle, der Wasserfall, das Gerippe auf dem
Goldhügel!«
»Furchtbar traurig!« wiederholte Prickett.
»So viele Jahre hat Ihr Vater die beiden Silberscheiben und
versucht nicht einmal sie zu entziffern, bis er zu spät
kommt!«
»Mein Vater!« – die
Thränen strömten aufs neue – »mein
armer Vater!«
»Kannst du das Maul nicht halten, wenn beim Reden
doch nichts herauskommt?« fragte sich Prickett,
beschämt über sein ungeschicktes Eingreifen. So leid
hatte ihm in seinem ganzen Leben noch niemand gethan wie dieses
weinende Mädchen.
»Sorgen Sie sich doch nicht so um ihn! Es
drückt Ihnen ja das Herz ab!« setzte er trotz des
Vorsatzes der Schweigsamkeit hinzu. »Man wird ihn aus seiner
jetzigen mißlichen Lage schon herauslotsen. Ich hatte in New
Jork schon den Eindruck, daß man ihm wohl will, und jetzt, da
wir Engel haben, soll die Geschichte laufen wie auf
Gummirädern. Verlassen Sie sich darauf, er wird ganz
entlastet.«
Marie verließ sich auf alles, was Prickett sagte, und
fühlte sich sehr getröstet.
In Montreal sollten sich ihre Wege trennen; der ihrige
führte nach New York, der seinige nach Liverpool. Die Reise
wäre über New York kürzer gewesen, aber die
Gefangenen durch fremdes Gebiet zu führen, hätte
überflüssige Scherereien mit sich gebracht. Als die
Zeit da war, wollten sie sich verabschieden, Prickett sagte aber etwas
mehr als Lebewohl.
»Ich bin gerade kein gebildeter Mann,
Fräulein Harcourt,« begann er, »ich bin
durchaus nicht, was Sie gewöhnt sind, als einen
›Gentleman‹ zu betrachten ...«
»Natürlich sind Sie das,«
entgegnete sie beinah heftig, ohne zu ahnen, was sie damit
heraufbeschwor. »Was ist der Begriff eines
›Gentleman‹, wenn nicht Zuverlässigkeit,
Ehrgefühl, Redlichkeit, Güte? Und das alles habe ich
an Ihnen kennen gelernt.«
»Ist mir lieb zu hören – sehr lieb
sogar. Es liegt mir außerordentlich viel an Ihrer guten
Meinung und aus Furcht, sie zu verscherzen, wäre ich
eigentlich gern meiner Wege gegangen, ohne Ihnen zu sagen, was mein
Herz erfüllt – ich bringe es aber nicht fertig.
Jedenfalls will ich's kurz machen! Fräulein Harcourt, ich bin
ein lediger Mann, bin mir aber bewußt, in Beziehung auf
Verträglichkeit ein musterhafter zu sein. Ich habe in meinem
Beruf, der sonst harte Arbeit und geringen Lohn bedeutet, mehr
Glück gehabt als andre, außerordentliches
Glück sogar, so daß ich vermöglich zu nennen
bin. In meinem ganzen Leben habe ich das Wort, das mir jetzt auf der
Zunge schwebt, noch nie ausgesprochen – wenn Sie sich
entschließen könnten, Frau Prickett zu werden,
würde ich redlich mein Bestes thun, Sie glücklich zu
machen. Der Gedanke, Sie jetzt ziehen zu lassen, ist mir
unerträglich. Ich habe in meinem ganzen Leben kein so
schneidiges kleines Vollblut getroffen wie Sie –
entschuldigen Sie den Ausdruck –, und Mut imponiert mir nun
einmal vor allem. Daß es für Sie ein Herabsteigen
bedeutet, ist mir ja klar....«
»Nein, nein! Ganz und gar nicht.«
»Doch, es ist und bleibt so, aber wenn Sie's trotzdem
wagen wollen, bekommen Sie einen guten Ehemann. Wollen Sie –
hm – wollen Sie? – – Es ist doch nicht so
schwer, ja oder nein zu sagen – wollen Sie?«
Sie sagte nicht ja und nicht nein, sie murmelte nur etwas, und
als Prickett sie daraufhin an seine Brust zog, leistete sie nicht den
geringsten Widerstand.
»So!« sagte er strahlend, wie er noch nie
gestrahlt hatte. »Und jetzt will ich dir etwas sagen. Ich habe
es selbst nicht gewußt bis zu diesem Augenblick –
aber das hätte ich thun mögen, schon als ich dich zum
allererstenmal sah!«
- Ende -
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