Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)
beschützen.
Das würde allerdings bedeuten, dass ich die Hütte nie mehr verlassen darf, sagte er, doch das war mir egal. Ich mochte die Hütte, mochte sie vom ersten Augenblick an, und ich hätte mir keinen besseren Ort zum Leben vorstellen können.
Also sagte ich „Ja“ …
Der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt. Und ich habe es nie bereut, ihn geheiratet zu haben. Nicht eine Sekunde.
„Träumst du noch manchmal von Edda?“, fragte er mich am Anfang oft, in unseren Flitterjahren quasi. Und ich sagte dann immer, ich träume gar nichts. Nichts Gutes und nichts Schlechtes.
Das stimmte auch. Und es ist so geblieben.
Bis letzte Woche …
Aber das zählt irgendwie nicht richtig, das mit letzter Woche. Ich meine, ein einziger Alptraum in dreißig Jahre n! Das ist doch weniger als gar nichts, nicht wahr, Welt?
Weißt du eigentlich, wie gut es tut, jemanden zum Reden zu haben? Wirklich, seit wir uns unterhalten, bin ich noch viel glücklicher als sonst. Und es macht auch gar nichts, dass du mir niemals antwortest. Allerdings muss ich jetzt schließen, nicht einmal Zeit, den Brief durchzulesen, habe ich mehr, verdammt noch eins!
Bis bald, Welt,
Lilli
15
„Fennrich hat sie beschützt“, murmelte Verhoeven, der die beiden Briefe sofort nach seiner Rückkehr gelesen hatte. „All diese Jahre.“
„All diese Jahre“, nickte Winnie, froh, dass er beschützt und nicht gedeckt gesagt hatte. Durch das geöffnete Fenster drang der würzige Duft nach erfrischtem Leben und nasser Erde herein. Ein Duft, über den man sich eigentlich freuen müsste, dachte Winnie.
Ihr Vorgesetzter hatte kein Wort über seinen Besuch bei Ann-Kathrin Jehningers Eltern verloren. Auch nicht über die Fragen der Reporter, die bei seiner Rückkehr vor dem Eingang zur Dienststelle über ihn hergefallen waren. Das einzige, was sie von ihm gehört hatte, war eine Frage gewesen: „Ist es eigentlich ein Trost, dass auch die Vernachlässigten hier und da eine Chance haben?“
Sie wusste, er hatte auf Miriam Lauterbach angespielt, das Mädchen, das sich in Ermangelung eines behüteten Elternhauses notgedrungen alleine durchs Leben kämpfte und das Vondanck wahrscheinlich aus eben diesem Grund entkommen war. Ironie des Schicksals, dachte sie, aber sie wagte nicht, das laut zu sagen, vielleicht auch, weil sie nicht das Gefühl hatte, dass Verhoeven tatsächlich so etwas wie eine Antwort von ihr erwartete.
Er war älter geworden in diesen Tagen, und insgeheim fand Winnie, dass es ihm stand, wenngleich sie den Preis kannte, den er dafür bezahlt hatte.
„Fennrich wusste, dass Lilli zwei Kinder getötet hat, aber er brachte es einfach nicht über sich, sie den Behörden auszuliefern“, sagte er jetzt, die Augen noch immer auf den Brief gerichtet. „Er stammte selbst aus schlechten Verhältnissen und hatte wahrscheinlich Mitleid mit ihr. Also hat er sie geheiratet und ihr verboten, die Hütte am See zu verlassen, damit sich etwas Derartiges nicht wiederholen konnte. Und er hat argwöhnisch darauf geachtet, dass sie sich an ihre Abmachung hält.“
„Was sie ja über weite Strecken auch getan hat“, bemerkte Winnie sanft. „Ich glaube, es fiel ihr im Grunde gar nicht schwer, weil sie … weil sie glücklich war mit dem Leben, das sie führte“, sprach sie schließlich doch aus, was sie empfand. „Sie hatte ihr Zuhause gefunden. Ihren Frieden, wenn Sie so wollen.“
Er nickte. Ein müdes, hohlwangiges Nicken. „Allerdings hat Fennrich seinen Argwohn gegen sie wohl niemals ganz abgelegt, und als er letzten Dienstag durch Zufall mitbekam, dass wieder ein Mädchen aus Brixenheim vermisst wird, muss er gedacht haben, seine Frau sei rückfällig geworden und beschloss …“
„… sie zu töten“, ergänzte Winnie. Und mit einem Anflug von Bitterkeit fügte sie hinzu: „Dabei hatte sie gar nichts getan.“
„Nein.“ Verhoeven nestelte eine Kopfschmerztablette aus der Brusttasche seines Hemdes und spülte sie mit einem halben Glas Wasser hinunter. „Nicht dieses Mal.“
„Denken Sie, dass Lilli wusste, was sie tat?“ Sie sah ihren Vorgesetzten an. „Ich meine damals.“
„Sie ist sehr krank gewesen“, entgegnete Verhoeven. „Vor allem damals. Vielleicht war sie am Ende ihres Lebens am gesündesten …“
Sie schwiegen eine Weile.
„Es muss schrecklich für Fennrich gewesen sein, als ich ihm sagte, dass das verschwundene Kind wieder aufgetaucht ist“, bemerkte Verhoeven schließlich mit
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