Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
investigative Journalistin sind, aber wir hätten nie vermutet, dass Sie zu der Sorte gehören, die ihr eigenes Land verkauft.«
Er stellte seinen Fuß auf die untere Sprosse des Stuhls, an den Julie gefesselt war, und beugte sich ziemlich weit vor.
» Sie sitzen voll in der Scheiße, Miss Ortiz«, fauchte er und fletschte die Zähne. » Das, was Sie jetzt tun, wird mir zu entscheiden helfen, wie sauber Sie sein werden, wenn wir Sie aus der Scheiße herausziehen. Haben Sie verstanden?«
Julie zuckte mit keiner Wimper. » Ich verstehe nur eines. Das ist der Augenblick, in dem ich meinen Anwalt anrufe.«
Sawyers Fauchen verblasste zu einem Grinsen. Er wich zurück, verschränkte die Arme und warf einen Seitenblick auf die anderen im Raum anwesenden Männer.
» Habt ihr das gehört? Sie glaubt, sie kriegt einen Anwalt.« Er lachte leise.
Julie hörte das gedämpfte Gelächter der anderen FBI -Agenten.
Sawyer richtete den Blick wieder auf sie. » Ich weiß nicht genau, ob Sie wirklich kapiert haben, in welcher Lage Sie sich befinden, Miss Ortiz. Ich werde Sie also erleuchten. Und zwar mit ganz einfachen Worten, damit ich auch sicher sein kann, dass Sie mich wirklich verstehen.«
Er verschwand im hinteren Teil des Raumes, hinter Julie und außerhalb ihres Blickfeldes. Sie hörte das Rascheln von Papier. Sawyer tauchte erneut neben ihr auf und hielt einen Aktenordner unter ihre Nase. Er war schlicht und einfach und nur mit einem kleinen hellroten Karteireiter versehen.
» Wissen Sie, was das ist, Miss Ortiz? Das ist ein streng geheimes Dokument. Das bedeutet, es ist vertraulich. Es bedeutet, dass Hinz und Kunz draußen auf der Straße nichts– nichts – über seinen Inhalt wissen dürfen.« Nun zog er einen zweiten metallenen Stuhl von einem Tisch an der Wand zu sich heran. Er schrammte über den Betonboden. Sawyer drehte ihn herum, nahm auf ihm Platz und musterte den Ordner in seiner Hand. » Wenn jemand Hinz und Kunz erzählt, was in dieser Akte steht, dann mögen wir das nicht. Wir mögen es überhaupt nicht. Sie haben es ausgeplaudert, Miss Ortiz. Sie haben es Hinz und Kunz brühwarm erzählt. Und wenn man das macht, meine Liebe, verwandelt sich dies hier«– er hob den Ordner hoch– » in etwas ganz anderes.«
Ohne jede Warnung flog sein Arm hoch und versetzte Julie eine Ohrfeige, die sich gewaschen hatte. Sie schrie auf. Ihre Kinnlade sackte vor Schreck herunter. Ihr gelassener Blick wurde ängstlich. Ein Tropfen Blut lief ihre Unterlippe hinab.
» Schmerz, Miss Ortiz.« Sawyer ließ den Ordner sinken. » Er verwandelt sich in Schmerz. Sie empfangen ihn aus unseren Händen. Aber verstehen Sie mich nicht falsch, Miss Ortiz. Wir sind keine Sadisten. Wir sehen es nicht gern, wenn Sie Schmerzen haben, auch dann nicht, wenn Sie Ihre Landsleute verraten. Wir bitten Sie nur, uns zu sagen, wie Sie an diese Dokumente gekommen sind. Dann ist für Sie alles zu Ende, noch bevor es angefangen hat. Natürlich können wir Sie nicht gehen lassen, aber eine Zelle ist allemal besser als dieser Raum hier. Und viel weniger gefährlich für Ihr Wohlbefinden.«
Julie leckte sich das Blut von den Lippen. Der Kupfergeschmack, der sich auf ihrem Gaumen verbreitete, war ebenso abscheulich und verlockend wie das Angebot des Agenten. Der Gedanke, Dr. Demilio in die Pfanne zu hauen, verschwand schnell wieder aus ihrem Geist.
» Meine Quellen werden vom Gesetz geschützt«, begann sie.
Sawyer ohrfeigte sie ein zweites und drittes Mal.
Diesmal schrie Julie nicht auf. Sie hatte damit gerechnet. Trotzdem beunruhigte dieser Angriff sie ebenso wie der vorherige, und ihr standen Tränen in den Augen, als sie den Schmerz abzuschütteln versuchte.
» Wir sind das Gesetz, Miss Ortiz«, sagte Sawyer mit fester Stimme. » Verarschen Sie uns nicht. Bisher war ich ausnehmend freundlich zu Ihnen. Bringen Sie mich nicht dazu, böse zu werden. Ich frage Sie ein letztes Mal: Wer hat Ihnen die Informationen über den Morgenstern-Erreger gegeben?«
Julie sagte nichts.
Sawyer stand auf, seufzte und strich sein Jackett mit den Händen glatt.
» Na schön, Miss Ortiz. Dann fangen wir mit Natriumpentothal an.«
» Genau«, sagte Agent Derrick, drehte sich um und öffnete einen Metallbehälter. Er entnahm ihm eine Spritze, die er in eine Medizinflasche schob, um sorgfältig eine Dosis zu extrahieren.
» Sie sind einfach zu stur zum Lernen«, sagte Sawyer zu Julie, als Derrick gegen die Spritze klopfte. » Mal sehen, wie hartnäckig Sie noch
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