Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
hätte sich dumm verhalten, und der Tod wäre seine Strafe. Sie sagte mir: ‚Wenn man als Blödmann stirbt, stirbt man schreiend; die Edlen hingegen lachen, wenn sie sterben, über sich selbst.’ Vielleicht lachst du den Tod gar nicht aus, Rebecca. Du lachst über dich selbst, weil du vielleicht bei einer so blöden Sache wie einem überflüssigen Sturz vom Dach stirbst.«
Mbutu legte die Hand an die Stirn, schirmte die Augen vor der Sonne ab und lugte in die Ferne.
» Da kommen sie«, sagte er schließlich.
Rebecca fuhr herum und blickte in die gleiche Richtung wie er. Fern von ihnen waren winzige Punkte zu erkennen, die in der Hitze flirrten. Sie sahen wie Ameisen aus. Aufgrund der kurzen in der Wüste verbrachten Zeit wusste sie, dass flache offene Ausdehnungen optische Täuschungen erzeugten. Der Konvoi, den sie sahen, war noch immer viele Dutzend Kilometer weit entfernt, aber es war eindeutig der, auf den sie warteten.
Nach dem Erhalt der Nachricht über die Schlacht von Suez hatten die Soldaten ihre Stellungen bei El Ferdan und El Qantara geräumt und waren nach Südwesten gezogen, ins Herz der Wüste Sinai hinein. Sie war abgelegen und lag fast hundert Kilometer südlich der letzten Verteidigungslinien, die die Pioniere nur für den Zweck gebaut hatten, dass die Verteidiger einen sicheren Sammelpunkt hatten. Sie verfügten noch über genug Treibstoff, um diesen Plan als aussichtsreichen umsetzen zu können, und niemand hatte etwas gegen die zusätzlich aufgewandte Mühe einzuwenden, die ihnen zusätzliche Sicherheit vor den Überträgern des Morgenstern-Erregers lieferte.
Hinter Mbutu und Rebecca, im Behelfslager, nahm man den Ruf auf, dass die Überlebenden aus Suez im Anmarsch waren.
Scharm El-Scheich
10 . Januar 2007
12 . 03 Uhr
Rebecca war müde, schmutzig, hungrig und durstig. Und außerdem war ihr heiß.
Die Fahrt von der Berg-Sinai-Basis nach Scharm El-Scheich war ziemlich eilig erfolgt. Die überlebenden Soldaten der Schlacht von Suez hatten sich dem kleinen Trupp angeschlossen, der in der Wüste auf sie wartete. General Sherman hatte prompt den Rückzug angeordnet.
Rebecca wünschte sich nichts sehnlicher als die Heimreise, doch leider gehörte ein Trip in die Staaten nicht zu ihren Optionen. Noch nicht. Allem Anschein nach verschlechterte sich die Lage in der Wüste. Die Überträger hatten die beste Verteidigungslinie der Koalitionsstreitkräfte durchbrochen, und in letzter Sekunde hatte das letzte Widerstandsnest aus Washington den Rückzugsbefehl erhalten. Die Fronten 1 und 2 waren aufgegeben worden.
Sherman war wütend gewesen. Er hatte den ganzen Tag telefoniert und Politiker zu überzeugen versucht, dass es nicht in ihrem Interesse lag, die Verteidigung des Mittleren Ostens aufzugeben.
Er hatte mit seinen Behauptungen zugleich richtig- und falschgelegen. Am Tag zuvor waren Meldungen eingegangen, laut denen die Überträger an Kraft verloren und wegen der Hitze und der erbarmungslosen Landschaft der riesigen Wüste langsamer wurden. Satellitenbilder und Aufklärungsflieger hatten gemeldet: Je weiter die Horden voranschritten, umso mehr Überträger blieben am Wegesrand liegen und standen nicht mehr auf. Vermutlich war ihnen beizukommen, wenn man sie extremen Umweltbedingungen aussetzte.
Sherman hatte skeptisch darauf reagiert.
» Ich habe gesehen, dass diese Dinger wenige Minuten nach einem Herzschuss wieder aufgestanden sind«, so seine Antwort. » Wer weiß denn genau, dass diese Leichen nicht auch irgendwann wieder aufstehen und herumlaufen?«
Wie auch immer, die Vereinigten Staaten setzten nun darauf, dass der Stacheldraht, die Minenfelder und die als zweite Verteidigungslinie ausgehobenen Gräben die Überträger wenigstens so lange aufhalten würden, bis Israel und die anderen Staaten des Mittleren Ostens eine solide Verteidigung aufgebaut hatten.
Der offenkundige Waffenstillstand zwischen den beiden uralten Feinden hatte Rebecca überrascht, doch sie hatte ihn nur am Rande zur Kenntnis genommen. Katastrophen brachten immer die besten und schlechtesten Züge des menschlichen Charakters zum Vorschein. Im Mittleren Osten war es offenbar einer der besten. Sie bedauerte es, so fern vom Militär in der Wüste zu sein, denn sie hätte gern einen israelischen Soldaten und einen arabischen Milizionär Seite an Seite statt gegeneinander kämpfen sehen.
Sherman hatte die Route nach Scharm El-Scheich als bestmöglichen Abzug aus Afrika geplant. Am südlichen Ende des Roten Meeres
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