Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
schaute kurz beiseite, sah das positive Signal des Sendeleiters und wandte sich wieder der Kamera zu.
» Heute Abend begrüßt Kanal Dreizehn als Gäste Tim Daley, den Chef der Central Intelligence Agency, und Dr. Vladimir Peshnikov, ein angesehener Virologe und vor allem bekannt durch seine Arbeit zur Behandlung der Malaria. Willkommen, meine Herren. Wir hoffen, dass Ihre Einblicke uns am heutigen Abend weiterbringen.«
Zwei mürrische Mienen waren als Einblendung hinter Julies Schultern aufgetaucht. Daley war in den mittleren Jahren. Er strahlte Härte aus und wirkte eher wie ein Mensch, der Befehle gab, statt sie entgegenzunehmen. Peshnikov war hinter seiner Brille und dem dicken schwarzen Schnauzbart weniger einschüchternd.
» Danke, dass Sie mich eingeladen haben, Julie«, brummte Daley.
» Guten Tag«, sagte Peshnikov.
» Meine Herren«, sagte Julie, » lassen Sie mich zuerst fragen, wie Ihre erste Reaktion auf die Behauptung ausfiel, dass in Afrika und im Mittleren Osten die Toten wieder auferstehen.« Sie schob ihre Zettel von da nach dort.
» Nun, die Antwort fällt mir leicht«, sagte Daley. » Mist, hab ich gedacht. Völliger Quatsch. Das ist doch nicht das, was man mitten in einer Krise von seinen Mitbürgern hören will. Wir machen uns, was diesen Erreger anbetrifft, gar nichts vor: Er ist gefährlich. Aber er erweckt die Toten nicht wieder zum Leben! Das ist übelste Blasphemie. Gottesfürchtige Amerikaner wissen tief in ihren Herzen, dass es im ganzen Universum keine Möglichkeit gibt, die Toten mit irgendwelcher Zauberei zu neuem Leben zu erwecken…«
» Vielleicht sind sie zu voreilig, Mr. Daley«, warf Peshnikov ein. » Ich war auch mal zynisch, aber meine Forschungen haben gezeigt…«
» Ach, ihr Wissenschaftler werbt ständig für dieses oder jenes Forschungsprojekt, aber kommt doch irgendwie nie zu einem Ergebnis. Die Toten sind tot. Dazu bedarf es wirklich keiner allzu großen Fantasie.« Daleys Stimme drückte eindeutig Häme aus.
» Wie gesagt«, fuhr Peshnikov fort. » Meine Forschungen haben gezeigt, dass ein Organismus sterben kann, während Teile von ihm weiterleben. Es ist durchaus möglich, dass die in den durchgesickerten Informationen beschriebenen Geschöpfe keine neu belebten Menschen mehr sind, sondern bloß Körper.«
» Ach, das bringt uns wirklich weiter«, höhnte Daley.
» Es wird behauptet, dass die vom Morgenstern-Erreger befallenen Menschen angetrieben oder dazu gezwungen sind, den Erreger zu verbreiten«, sagte Julie schnell, bevor ihre Gäste sich gegenseitig an die Gurgel gingen. » Glaubt einer von Ihnen, dass die Meldungen über diese untoten Leichname in einem direkten Bezug zu dem Erreger stehen?«
» Natürlich«, sagte Peshnikov, bevor Daley antworten konnte. » Ich sehe keinen anderen wahrnehmbaren Zusammenhang zwischen beiden Faktoren. Informationen dieser Art hat es vor dem Ausbruch des Morgenstern-Erregers nie gegeben. Es ist schwer, den Zusammenhang zwischen den Faktoren zu übersehen.«
» Moment mal«, sagte Daley. » Wir haben noch nicht einmal ermittelt, ob die Sache mit den angeblichen wandelnden Toten stimmt, und Sie reden schon so, als ob sie feststünde?«
» Angesichts des neuen und bösartigen Charakters unseres Gegners, Mr. Daley, würde ich zögern, uns frisch übermittelte neue Daten mal einfach so in Abrede zu stellen, bloß weil sie meinen religiösen Ansichten widersprechen.«
» Tote steigen nicht aus ihren Gräbern!«, schrie Daley. » So etwas gibt es nur in Schundromanen!«
» Dann glauben Sie also nicht an einen Zusammenhang zwischen dem Erreger und diesen Meldungen, Mr. Daley?«, fragte Julie.
» Nein«, sagte Daley. » Nun, es ist möglich. Ich bin mir jedenfalls in keiner Hinsicht sicher.«
» Das ist sehr wissenschaftlich formuliert, Mr. Daley«, höhnte Peshnikov.
» Was wir jetzt mehr als je zuvor brauchen«, fuhr Daley fort, » ist ein Gefühl für das, was wir sind und wofür wir einstehen. Was wir gerade jetzt nicht brauchen, ist dummes Geschwafel! Es ist überflüssig, dass wir uns über dämliche Ideen wie Zombies und Untote unterhalten. Es ist nötig, dass wir als Nation zusammenhalten und diese Bedrohung mit ordentlicher Bildung und Verteidigungsbereitschaft bekämpfen, damit wir genügend Zeit haben, uns auf sie vorzubereiten, falls sie Amerika wirklich trifft.«
» Über diesen Luxus werden wir vielleicht nicht mehr verfügen können, Mr. Daley«, sagte Peshnikov. » Die Auswirkungen von Epidemien
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