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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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rief Agnes. Sie tanzte von einem Fuß auf den anderen, während er wieder in den kleinen Beutel griff und etwas herauszog, das er in der Faust verbarg. Er bückte sich schwer atmend, bis er in Augenhöhe mit Agnes war, und öffnete die Hand.
    »Eine Glocke!« sagte Agnes erfreut. Sie hielt sie in die Höhe und schüttelte sie. Sie war rund und aus Messing, wie die Schlittenglocke eines Pferdes, und hatte oben einen Metallbügel.
    Agnes bestand darauf, daß Kivrin mit ihr ins Damengemach gehe, um ein Band zu holen, das sie durch den Glockenbügel ziehen und um den Hals oder am Arm tragen könne. »Mein Vater brachte mir dieses Band vom Jahrmarkt«, sagte Agnes, als sie es aus der Truhe zog, in der Kivrins Kleider verwahrt worden waren. Das Band war fleckig eingefärbt und so steif, daß Kivrin Schwierigkeiten hatte, es sauber durch den Bügel der kleinen Glocke zu ziehen. Selbst die billigsten Bänder bei Woolworth zum Verpacken von Weihnachtsgeschenken waren besser als dieses augenscheinlich hochgeschätzte Schmuckband.
    Kivrin band es mit einer Schleife um Agnes’ Handgelenk, und sie gingen wieder hinunter. Die Geschäftigkeit des Abiadens und Verstauens hatte sich ins Innere des Hauses verlagert. Bedienstete trugen Kisten, Körbe, Bettzeug und frühe Versionen von Reisetaschen in die Diele. Sie hätte sich nicht zu sorgen brauchen, daß Sir Bloet und seine Reisegesellschaft sie mitnehmen würden. Allem Anschein nach waren sie gekommen, um wenigstens den Winter hier zu verbringen.
    Auch ihre Sorgen, daß man über ihr Schicksal diskutieren würde, waren offenbar unbegründet. Niemand hatte ihr auch nur einen Blick geschenkt, nicht einmal, als Agnes darauf bestand, zu ihrer Mutter zu gehen und ihr Armband vorzuzeigen. Eliwys war in ein Gespräch mit Bloet, Gawyn und dem gutaussehenden Mann vertieft, der ein Sohn oder Neffe sein mußte, und Kivrin sah, daß Eliwys in nervöser Unruhe die Hände rang. Die Nachrichten aus Bath mußten schlecht sein.
    Frau Imeyne war am anderen Ende der Diele und sprach mit der stämmigen Frau und einem bleich aussehenden Mann im Gewand eines Klerikers. Ihr Gesichtsausdruck ließ erkennen, daß sie sich über Pater Roche beklagte.
    Kivrin nutzte das geräuschvolle Durcheinander, um Rosemund beiseitezunehmen und zu fragen, wer die Besucher waren. Der bleiche Geistliche war Sir Bloetes Kaplan, was sie schon vermutet hatte. Die Dame in dem leuchtendblauen Umhang war seine Stieftochter. Die dicke, stämmige Matrone mit der gestärkten Haube war Sir Bloets Schwägerin aus Dorset, die sich zu Besuch bei ihm aufgehalten hatte. Die beiden rothaarigen jungen Männer und die kichernden Mädchen waren allesamt ihre Kinder. Sir Bloet hatte keine Kinder.
    Was natürlich der Grund dafür war, daß er eins heiratete, offenbar mit allgemeiner Billigung. Dem Fortbestand des Adelsgeschlechtes und seiner genealogischen Linie kam absolut vorrangige Bedeutung zu. Je jünger die Frau, desto günstiger die Aussicht, genug Nachkommen in die Welt zu setzen, daß wenigstens ein männlicher Erbe das Erwachsenenalter erreichte.
    Die ältere Frau mit dem verkniffenen Mund und dem verblichenen roten Haar war, Schrecken aller Schrecken, Frau Yvolde, seine unverheiratete Schwester. Sie wohnte mit ihm in Courcy, und als Kivrin beobachtete, wie sie die arme Maisry anschrie, wie sie einen Korb hatte fallen lassen, sah sie einen Schlüsselbund an ihrem Gürtel. Das bedeutete, daß sie den Haushalt führte, oder es bis Ostern tun würde. Die arme Rosemund würde keine Chance haben.
    »Wer sind all die anderen?« fragte Kivrin. Sie hoffte, daß sich unter ihnen wenigstens eine Verbündete für Rosemund finden würde.
    »Bedienstete«, sagte Rosemund, als ob es offensichtlich wäre, und lief zurück zu den Mädchen.
    Es gab mindestens zwanzig Bedienstete, die Pferdeknechte nicht mitgezählt, die im Stall mit der Unterbringung und Fütterung der Pferde beschäftigt waren, und niemand, nicht einmal die nervöse Eliwys, schien von ihrer Zahl überrascht. Kivrin hatte gelesen, daß die Haushalte von Landedelleuten über Dutzende von Bediensteten verfügten, diese Zahlen aber für übertrieben gehalten. Eliwys und Imeyne hatten kaum Dienstpersonal mitgebracht und die Leibeigenen des ganzen Dorfes zur Arbeit heranziehen müssen, um das Julfest vorzubereiten, und obwohl sie diesen minimalen Aufwand zum Teil dem Umstand zugeschrieben hatte, daß die Familie in Schwierigkeiten war und sich vielleicht hier verbergen mußte, hatte der

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