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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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derselben Stelle, wo Kivrin sie gefunden hatte, hinter der vorletzten Hütte, beim Abweiden schwärzlich verwelkter Erbsenpflanzen.
    »Frohe Weihnachten, Frau Kuh«, sagte Agnes und hielt der Kuh eine Handvoll Heu einen guten Meter vor das Maul.
    »Sie sprechen nur um Mitternacht«, sagte Rosemund.
    »Ich würde gern kommen und sie um Mitternacht sehen, Kivrin«, sagte Agnes. Die Kuh kam näher. Agnes wich zurück.
    »Das geht nicht, Dummchen«, sagte Rosemund. »Um Mitternacht wirst du in der Christmette sein.«
    Die Kuh streckte den Hals vor und tat einen großen Schritt vorwärts. Agnes zog sich zurück. Kivrin gab der Kuh das Heu.
    Agnes sah neidisch zu. »Wenn alle in der Christmette sind, wie können sie dann wissen, daß die Tiere sprechen?« fragte sie.
    Gute Logik, dachte Kivrin.
    »Pater Roche sagt, daß es so ist«, antwortete Rosemund.
    Agnes wagte sich hinter Kivrins Rock hervor und hob eine frische Handvoll Heu auf. »Was sagen sie?« Sie zeigte mit dem Heu in die Richtung der Kuh.
    »Sie sagen, daß du nicht verstehst, wie man sie füttert«, sagte Rosemund.
    »Das sagen sie nicht!« sagte Agnes und streckte die Hand aus. Die Kuh kam heran, öffnete das Maul, daß die großen gelben Zähne zu sehen waren. Agnes warf ihm die Handvoll Heu entgegen und suchte Schutz hinter Kivrins Rücken. »Sie preisen unseren Herrn. Das sagte Pater Roche.«
    Gedämpfte Hufschläge und Stimmen drangen herüber, und Agnes rannte zwischen den Hütten vor zur Straße. »Sie sind gekommen!« rief sie. »Sir Bloet ist hier. Ich hab sie gesehen. Sie reiten gerade durch das Tor.«
    Kivrin warf der Kuh den Rest des Heues vor. Rosemund nahm eine Handvoll Hafer aus dem Sack und hielt ihn der Kuh auf dem flachen Handteller hin. Die Kuh zog den Hafer mit breiter, schleimiger Zunge ins Maul.
    »Komm, Rosemund!« rief Agnes. »Sir Bloet ist hier!«
    Rosemund rieb sich den Speichel der Kuh und die restlichen Haferkörner von der Hand. »Ich will noch Pater Roches Esel füttern«, sagte sie und ging hinüber zur Kirche, ohne auch nur in die Richtung des Herrenhauses zu blicken.
    »Aber sie sind gekommen, Rosemund!« schrie Agnes und rannte ihr nach. »Willst du nicht sehen, was sie mitgebracht haben?«
    Offensichtlich nicht. Rosemund erreichte den Esel, der an der Friedhofsmauer ein Büschel Fuchsschwanzgras entdeckt hatte, das aus dem Schnee hervorschaute. Sie bückte sich und hielt dem Esel eine Handvoll Hafer unter die Nüstern, stieß aber auf völliges Desinteresse. Sie stand auf, legte ihm die Hand auf den Rücken, und ihr langes dunkles Haar verbarg ihr Gesicht.
    »Rosemund!« rief Agnes, das Gesicht rot vor Anstrengung und Frustration. »Hast du nicht gehört? Sie sind gekommen!«
    Der Esel schob den Hafer aus dem Weg und schloß die gelben Zähne um das Gras. Rosemund ließ sich nicht entmutigen und hielt ihm wieder den Hafer hin.
    »Rosemund«, sagte Kivrin, »ich werde den Esel füttern. Du mußt gehen und deine Gäste begrüßen.«
    »Sir Bloet sagte, daß er mir ein Schmuckstück mitbringen will«, sagte Agnes.
    Rosemund öffnete die Hand und ließ den Hafer zu Boden fallen. »Wenn er dir so gut gefällt, kannst du ja Vater fragen, ob er dich Sir Bloet heiraten läßt«, sagte sie. Sie wandte sich ab und ging langsam zurück zum Gutshof.
    »Ich bin zu klein«, sagte Agnes.
    Auch Rosemund ist noch zu klein, dachte Kivrin, nahm Agnes bei der Hand und folgte ihrer Schwester. Rosemund ging nun schneller, das Kinn erhoben, ohne sich die Mühe zu machen, ihre schleifenden Röcke aus dem Schnee zu heben. Sie ließ Agnes’ wiederholte Bitten, auf sie zu warten, unbeachtet.
    Die Gesellschaft war bereits im Hof, und Rosemund näherte sich dem anderen Ende des Dorfangers. Kivrin beschleunigte ihren Schritt, zog Agnes mit sich, daß sie laufen mußte.
    So kamen sie beinahe gleichzeitig auf den Hof. Dort machte Kivrin überrascht halt.
    Sie hatte eine förmliche Begrüßung erwartet, die Familie mit steifen Ansprachen und höflichem Lächeln an der Tür, aber hier ging es ganz zwanglos zu – alle trugen Kästen und Körbe und Säcke hinein, begrüßten einander mit Ausrufen und Umarmungen, redeten durcheinander, lachten. Man hatte Rosemund noch nicht einmal vermißt. Eine große, dicke Frau mit einer riesigen gestärkten Haube packte Agnes mit beiden Händen, hob sie in die Höhe und küßte sie, und drei junge Mädchen drängten sich quietschend und lachend um Rosemund.
    Bedienstete, auch sie offensichtlich in Festtagskleidung,

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