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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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wahr?«
    »Ja, aber die ist drei Kilometer weit entfernt. Wir sind mitten in einem Gerstenfeld. Es sind keine Schweine in der Nähe, auch keine Vögel oder Fische.«
    Keine Vögel. Keine Schweine. Keine Einheimischen. Der Ursprung des Erregers war auch nicht hier am Ausgrabungsort. Möglicherweise war er nirgendwo, und Badris Influenza ging auf eine spontane Mutation zurück, die, so Mary, gelegentlich vorkam und in diesem Fall wie aus heiterem Himmel über Oxford hereingebrochen war, ganz wie die Pest über die ahnungslosen Bewohner dieses Friedhofs hereingebrochen war.
    Montoya hielt die Steine wieder ins Licht, kratzte mit den Fingernägeln an anhaftendem Lehm und rieb an der Oberfläche, und er erkannte plötzlich, daß es Knochen waren, die sie untersuchte. Rückenwirbel vielleicht, oder die Zehenknochen des Ritters. Requiescat in pace.
    Einer von ungleichmäßiger Form und der Größe einer Walnuß, mit gekrümmter Seite, schien ihr Interesse zu finden. Sie tat die anderen zurück in den Kasten, zog eine Zahnbürste mit kurzem Stiel aus der Tasche ihrer Jacke und putzte stirnrunzelnd die konkaven Ränder.
    Gilchrist würde eine spontane Mutation als Ursprung des Erregers niemals akzeptieren. Er war zu sehr auf die Theorie fixiert, daß irgendein Virus des 14. Jahrhunderts durch das Netz gekommen sei. Und zu sehr fixiert auf seine Autorität als amtierender Dekan der Historischen Fakultät, um nachzugeben, selbst wenn Dunworthy in den Pfützen des Friedhofs schwimmende Enten gefunden hätte.
    »Ich muß mich mit Mr. Basingame in Verbindung setzen«, sagte er. »Wo ist er?«
    Sie betrachtete stirnrunzelnd den Knochen. »Basingame? Keine Ahnung.«
    »Aber… ich dachte, Sie hätten ihn gefunden! Als Sie am Weihnachtstag anriefen, sagten Sie, Sie müßten ihn ausfindig machen, um Ihre Sondergenehmigung vom Gesundheitsamt zu erwirken.«
    »Ich weiß. Zwei volle Tage verbrachte ich damit, sämtliche Fischereivereine und Hotels in Schottland anzurufen, bis ich entschied, daß ich nicht länger warten konnte. Wenn Sie mich fragen, ist er überall, nur nicht in Schottland.« Sie zog ein Taschenmesser aus ihren Jeans und begann an der rauhen Kante des Knochens zu schaben. »Da wir schon vom Gesundheitsamt sprechen, würden Sie etwas für mich tun? Ständig rufe ich dort an, aber es ist immer belegt. Würden Sie hingehen und sagen, daß ich mehr Hilfe brauche? Sagen Sie Ihnen, daß die Ausgrabung von unersetzlichem historischem Wert ist und daß es ein unwiederbringlicher Verlust wäre, wenn die Ausgrabung im Regen absaufen würde. Ich brauche eine Sondergenehmigung für wenigstens fünf Hilfskräfte. Und eine Pumpe.« Das Messer verhakte sich. Sie setzte es wieder an und schabte weiter.
    »Wie konnten Sie Basingames Unterschrift bekommen, wenn Sie nicht wußten, wo er ist? Ich dachte, Sie sagten, daß der Antrag auf eine Sondergenehmigung seiner Unterschrift bedürfe.«
    »So ist es«, sagte sie. Ein Knochensplitter löste sich plötzlich und flog davon. Sie untersuchte den Knochen und ließ ihn wieder in den Kasten fallen. »Ich fälschte sie.«
    Sie kauerte wieder beim Sarkophag nieder und suchte nach weiteren Knochenresten. Er fragte sich, ob sie sich überhaupt erinnerte, daß Kivrin in eben der Vergangenheit war, die sie hier ausgrub, oder ob sie sie vergessen hatte, wie sie die Epidemie vergessen zu haben schien.
    Er legte auf und ging zur Klinik, um Mary zu erläutern, was er herausgefunden hatte, und um auf der Suche nach dem Ursprung des Virus noch einmal die Sekundärinfektionen zu befragen. Es regnete wieder heftiger. Aus den Wasserspeiern ergossen sich wahre Kaskaden und spülten Dinge von unersetzlichem historischem Wert fort.
    Die Schellenläuter und Finch mußten noch immer in der Kirche von Osney am Werk sein, denn das Geläute ließ alle Variationen des Glockenspiels in festgelegter Reihenfolge ertönen. Er stellte sich vor, wie sie an den Glockenseilen hingen und abwechselnd die Knie beugten, genauso selbstvergessen in ihr Tun vertieft wie Montoya. Die Glocken dröhnten bleiern und dumpf durch den rauschenden Regen, wie Hilferufe.

 
    ABSCHRIFT AUS DEM DOOMSDAY BOOK
(066440-066879)
     
    Heiligabend 1320 (alte Zeitrechnung). Ich habe nicht soviel Zeit, wie ich dachte. Als ich gerade von der Küche hereinkam, sagte mir Rosemund, daß Frau Imeyne nach mir gefragt habe. Die alte Frau war in ein ernstes Gespräch mit dem Gesandten des Bischofs vertieft, und ihre Miene ließ vermuten, daß sie wieder Pater

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