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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes
Autoren: Willis Connie
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Sachen. Mr. Gilchrist findet die Geschichte überzeugend. Er sagte, die Wahrscheinlichkeit, daß…«
    »Die Geschichte ist einleuchtend, weil das Mittelalter voll von Dieben und Halsabschneidern war.«
    »Ich weiß«, sagte sie ungeduldig, »und voll von Bazillenträgern und Raubrittern und anderen gefährlichen Typen. Gab es im Mittelalter überhaupt keine netten Leute?«
    »Die waren alle damit beschäftigt, Hexen auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen.«
    Sie hatte es zweckmäßig gefunden, das Thema zu wechseln. »Ich bin gekommen, Ihnen meine Kostümierung zu zeigen«, hatte sie gesagt und sich langsam um ihre Achse gedreht, daß er ihren blauen Kittel und den mit weißem Kaninchenfell gefütterten Umhang sehen konnte. »Mein Haar wird beim Absetzen offen sein.«
    »Es hat keinen Sinn, daß Sie im Mittelalter Weiß tragen«, hatte er gesagt. »Es wird bloß schmutzig.«
    An diesem Morgen war es auch nicht besser mit ihm gewesen. Wie ein werdender Vater war er in dem schmalen Beobachtungsraum hinter der Trennscheibe hin und her gelaufen. Sie hatte sich den ganzen Morgen gesorgt, daß er plötzlich versuchen würde, das ganze Vorhaben doch noch zu Fall zu bringen.
    Es hatte Verzögerungen und wieder Verzögerungen gegeben. Mr. Gilchrist mußte ihr noch einmal erklären, was für eine Bewandtnis es mit dem Doomsday Book habe, als ob sie eine Anfängerin wäre. Keiner von ihnen hatte Vertrauen in sie, außer vielleicht Badri, und selbst der war zum Aus-der-Haut-fahren vorsichtig gewesen, hatte die Netzfläche immer wieder ausgemessen und einmal eine ganze Serie von Koordinaten gelöscht und neu eingetragen.
    Sie hatte gedacht, es würde nie der Augenblick kommen, da sie sich endlich in Position begeben würde, und als es dann so weit gewesen war, hatte sie es noch schlimmer gefunden, mit geschlossenen Augen dazuliegen und sich zu fragen, was vorging. Latimer sagte Gilchrist, er sei besorgt wegen der Schreibweise des Namens, den sie für sie gewählt hatten, als ob damals jemand hätte lesen oder schreiben können. Montoya kam und stand über ihr und erklärte ihr, daß sie Skendgate anhand der Fresken in der Dorfkirche identifizieren könne; sie zeigten das Jüngste Gericht mit dem Höllensturz. Das hatte sie Kivrin vorher schon mindestens ein Dutzend Male erzählt.
    Jemand, sie glaubte Badri, weil er der einzige war, der keine Anweisungen für sie hatte, beugte sich über sie und bewegte ihren Arm ein wenig zum Körper und zupfte ihre Röcke zurecht. Der Boden war hart, und etwas bohrte sich unter den Rippen in ihre Seite. Mr. Gilchrist sagte etwas, und wieder hörte man von draußen das Glockenspiel.
    Bitte, dachte Kivrin, bitte. Sie fragte sich, ob Dr. Ahrens plötzlich entschieden habe, daß sie eine weitere Impfung benötige, oder ob Dunworthy endlich Basingame erreicht und überredet hatte, die Einstufung wieder auf zehn zu ändern.
    Der Betreffende – wer es auch war – hielt die Tür offen; sie konnte wieder das Glockenspiel hören, obwohl die Melodie nicht zu erkennen war. Es war auch keine Melodie, vielmehr ein langsames, gleichmäßiges Läuten, das kurz verstummte und dann wieder anfing, und Kivrin dachte: Ich bin durch!
    Sie lag auf der linken Seite, die Beine unbeholfen in die Röcke verheddert, als wäre sie von den Räubern niedergeschlagen worden, den Arm halb über dem Gesicht, um die Schläge abzuwehren, von denen einer ihre Schläfe getroffen hatte, wo das Blut in einem dünnen Rinnsal über ihre Gesichtshälfte geronnen war. Die Haltung ihres Armes ermöglichte ihr, unbemerkt die Augen zu öffnen, aber das wagte sie noch nicht. Sie lag ganz still und lauschte.
    Bis auf die fernen Glockentöne war nichts zu hören. Wenn sie am Rand einer Landstraße des 14. Jahrhunderts lag, sollten wenigstens Vogelstimmen zu hören sein. Aber vielleicht hatte ihr plötzliches Erscheinen oder der Lichthof des Netzes alle Vögel aus der näheren Umgebung verscheucht. Immerhin hinterließ der Lichthof mehrere Minuten lang schimmernde frostähnliche Partikel in der Luft.
    Nach einer langen Minute hörte sie einen Vogel zwitschern, und dann noch einen. Etwas raschelte in ihrer Nähe, hielt inne und raschelte wieder. Ein Eichhörnchen oder eine Waldmaus des 14. Jahrhunderts. Jetzt vernahm sie auch ein dünneres Rascheln, das wahrscheinlich vom Wind in den Zweigen der Bäume herrührte, obwohl sie keine Brise im Gesicht fühlte.
    Sie fragte sich, warum die ferne Kirchenglocke so anhaltend läutete. Vielleicht zur
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