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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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verbreitet, der über das Land trieb, vom bösen Blick, durch Zauberei.
    »Vater«, sagte der Sekretär, und Roche versuchte an Kivrin vorbeizukommen, aber sie versperrte ihm den Weg.
    »Wir können sie nicht in ihrer Todesnot verlassen«, sagte er.
    Aber sie taten es, dachte sie. Sie liefen davon und überließen die Kranken ihrem Schicksal. Eltern ließen ihre eigenen Kinder im Stich, und Ärzte weigerten sich, zu den Kranken zu kommen, und alle Priester flohen.
    Sie bückte sich und hob einen der Leinenstreifen auf, die Frau Imeyne für ihren Umschlag gerissen hatte. »Ihr müßt Mund und Nase damit bedecken«, sagte sie.
    Sie gab ihm den Stoff, und er blickte stirnrunzelnd darauf, dann legte er ihn zusammen und hielt ihn vor Mund und Nase.
    »Wir binden ihn fest«, sagte Kivrin und nahm einen zweiten Leinenstreifen. Sie faltete ihn diagonal und hielt ihn wie eine Banditenmaske über Mund und Nase und verknotete ihn im Nacken. »So.«
    Roche gehorchte, fummelte mit dem Knoten, und blickte erwartungsvoll zu Kivrin. Sie trat beiseite, und er beugte sich über den Kranken und legte ihm die Hand auf die Brust.
    »Nicht…«, sagte sie, und er blickte über die Schulter zu ihr auf. »Berührt ihn nicht mehr als Ihr müßt.«
    Sie sah mit angehaltenem Atem zu, wie Pater Roche ihn untersuchte, in Sorge, daß der Sekretär plötzlich wieder auffahren und Roche packen würde, aber er rührte sich nicht. Aus der Beule unter seinem Arm sickerten jetzt Blut und ein dickflüssiger, grünlicher Eiter.
    Kivrin legte Pater Roche die Hand auf den Arm. »Nicht berühren«, sagte sie. »Die Beule muß aufgebrochen sein, als wir mit ihm rangen.« Sie wischte Blut und Eiter mit einem von Imeynes Stoffstreifen ab und umwickelte die Wunde mit einem zweiten, den sie über der Schulter verknotete. Der Sekretär zuckte weder zusammen, noch gab er einen Laut von sich, und als sie in sein Gesicht blickte, sah sie ihn bewegungslos zur Decke starren.
    »Ist er tot?« fragte sie.
    Pater Roche verneinte, die Hand wieder auf seiner Brust, und Kivrin konnte ihr schwaches Heben und Senken sehen. »Ich muß die Sterbesakramente bringen«, sagte Pater Roche durch die Maske.
    In Kivrin kam wieder die Panik auf. Was sollte sie tun, wenn er wieder aufsprang und sich wie ein Wilder gebärdete?
    Pater Roche richtete sich auf. »Fürchtet nichts«, sagte er. »Ich werde wiederkommen.«
    Er ging schnell hinaus und ließ die Tür offen; Kivrin ging, um sie zu schließen. Von unten drangen Stimmen herauf – Eliwys und Pater Roche. Sie hätte ihm einschärfen sollen, zu niemandem davon zu sprechen. Agnes rief: »Ich will bei Kivrin bleiben«, und begann zu heulen, und Rosemund antwortete ihr zornig und übertönte das Weinen.
    »Das werde ich Kivrin sagen!« rief Agnes empört und schluchzend, und Kivrin schloß eilig die Tür und verriegelte sie.
    Agnes durfte nicht hereinkommen, auch nicht Rosemund oder sonst jemand. Sie durften der Ansteckung nicht ausgesetzt werden. Es gab kein Heilmittel gegen die Pest. Die einzige Möglichkeit, sie zu schützen, bestand darin, Ansteckung zu vermeiden. Sie suchte sich zu erinnern, was sie über die Pest gelesen hatte. Natürlich hatte sie die Pestepidemie als herausragendes Ereignis des 14. Jahrhunderts studiert, und Dr. Ahrens hatte darüber gesprochen, als sie Kivrin ihre Impfungen verabreicht hatte.
    Es gab zwei verschiedene Typen von Erregern, nein, drei – einer ging unmittelbar in die Blutbahn und tötete das Opfer innerhalb von Stunden. Beulenpest wurde durch Rattenflöhe übertragen, und das war der Erregertyp, der die Beulen erzeugte. Der dritte Typ war der Erreger der Lungenpest, und hier traten keine Beulen auf. Das Opfer hustete und spuckte Blut, und dabei wurde der Erreger durch Tröpfcheninfektion verbreitet. Er war ungeheuer ansteckend. Aber der Sekretär hatte die Beulenpest, und die war nicht so ansteckend. Die bloße Nähe zum Kranken reichte nicht aus – der Floh mußte von einer Person zur anderen gelangen.
    Sie mußte daran denken, wie der Kranke auf Rosemund gefallen und sie zu Boden gerissen hatte. Wie, wenn er sie angesteckt hatte? Es durfte nicht sein. Es gab kein Heilmittel.
    Der Sekretär regte sich, und Kivrin kam an seine Seite.
    »Durst«, lallte er mit seiner geschwollenen Zunge, leckte sich die Lippen. Sie brachte ihm einen Becher mit Wasser, und er trank gierig ein paar Schlucke, dann würgte er und spie es über sie.
    Sie wich zurück, riß den nassen Atemschutz vom Gesicht. Es ist die

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