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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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den Kopf des Kranken und legte ihn gerade ins Bett, sie schob ihn mehr zur Mitte des Strohsacks und legte den Arm an seine Seite. Dann ging sie zur Tür.
    »Ihr könnt ihm die Sterbesakramente geben«, sagte sie durch den Türspalt, »aber zuerst muß ich mit Euch sprechen.«
    Pater Roche hatte sein Chorhemd über die Soutane gezogen und die Maske abgenommen. In einem Korb trug er das heilige Öl und das letzte Abendmahl bei sich. Er stellte den Korb auf die Truhe am Fußende des Bettes und trat zu dem Kranken, dessen Atmung Zusehens mühsamer wurde. »Ich muß ihm die Beichte abnehmen«, sagte er.
    »Erst wenn ich Euch gesagt habe, was nötig ist«, erwiderte Kivrin. Sie holte tief Atem. »Der Sekretär hat die Beulenpest«, sagte sie. »Es ist eine furchtbare Krankheit. Beinahe alle, die daran erkranken, sterben in kurzer Zeit. Sie wird von Ratten und ihren Flöhen verbreitet, und vom Atem der Kranken, ihren Kleidern und Habseligkeiten.«
    Sie sah ihn besorgt und um Verständnis heischend an. Auch er sah besorgt aus, und verwirrt.
    »Es ist eine furchtbare Krankheit«, wiederholte sie. »Sie ist nicht wie Typhus oder Cholera. Sie hat schon Hunderttausende von Menschen in Italien und Frankreich getötet, in manchen Orten so viele, daß niemand übrig blieb, die Toten zu begraben.«
    Sein Gesichtsausdruck war nicht zu deuten. »Ihr habt Euch erinnert, wer Ihr seid, und woher Ihr kamt«, sagte er, und es war keine Frage.
    Er denkt, ich sei vor der Pest geflohen, als Gawyn mich im Wald fand, überlegte sie. Sage ich ja, wird er glauben, ich sei diejenige, die sie hierher brachte. Aber in seinem Blick war keine Anklage, und sie mußte erreichen, daß er verstand.
    »Ja«, sagte sie, und wartete.
    »Was müssen wir tun?« fragte er.
    »Ihr müßt die anderen von diesem Raum fernhalten, und Ihr müßt ihnen sagen, daß sie den Gutshof nicht verlassen und niemanden einlassen dürfen. Ihr müßt den Dorfbewohnern sagen, daß sie im Umkreis ihres Dorfes bleiben müssen, und daß sie, wenn sie eine tote Ratte sehen, nicht in die Nähe gehen dürfen. Es darf kein Schmausen und Tanzen auf dem Dorfanger geben. Die Dorfbewohner sollen einander nach Möglichkeit nicht besuchen und nicht in den Gutshof oder zur Kirche kommen. Sie dürfen sich nirgendwo versammeln.«
    »Ich werde Frau Eliwys bitten, daß sie Agnes und Rosemund im Haus behält«, sagte er. »Und den Dorfbewohnern werde ich sagen, daß sie für sich in ihren Häusern bleiben sollen.«
    Der Sekretär machte ein würgendes Geräusch, und sie wandten sich zu ihm um.
    »Gibt es nichts, was wir tun können, um jenen zu helfen, die an dieser Pest erkrankt sind?« sagte er mit undeutlich lallender Stimme.
    Sie hatte sich ins Gedächtnis zurückgerufen, was die Zeitgenossen getan hatten, um sich zu schützen. Sie hatten Räucherwerk angezündet und Blumensträuße getragen, hatten pulverisierte Edelsteine zu sich genommen und Blutegel an die Pestbeulen gesetzt, und die Pestärzte hatten Schnabelmasken getragen, die ihnen das Aussehen unheimlicher Vögel verliehen hatten, aber all diese Maßnahmen waren nutzlos gewesen, und Dr. Ahrens hatte ihr gesagt, daß es ganz gleich gewesen wäre, was sie versucht hätten, denn außer Antibiotika wie Tetracyclin und Streptomycin hätte nichts geholfen, und diese Mittel seien erst im 20. Jahrhundert entdeckt worden.
    »Wir müssen ihm genug Flüssigkeit geben und ihn warm halten«, sagte sie.
    Pater Roche sah den Kranken mitleidig an. »Sicherlich wird Gott seinem Diener helfen.«
    Das wird er nicht tun, dachte sie. Er ließ halb Europa umkommen. »Es ist gut, auf Gott zu vertrauen«, sagte sie, »aber wir dürfen nicht denken, daß wir untätig bleiben können, weil Er uns schon helfen wird. Der Schwarze Tod ist eine Krankheit der Ratten und Mäuse, die auf uns Menschen übergehen kann.«
    Pater Roche nickte und nahm die Flasche mit dem geweihten Öl aus seinem Korb.
    »Ihr müßt Eure Maske vor Mund und Nase tun«, sagte Kivrin und kniete nieder, um den letzten Stoffstreifen aufzuheben. Sie band ihn ihm über Mund und Nase. »Das müßt Ihr immer tun, wenn Ihr ihn pflegt«, sagte sie und hoffte, daß er nicht bemerken würde, daß sie ihren Atemschutz nicht trug.
    »Ist es Gott, der uns dies als Strafe geschickt hat?« fragte Pater Roche.
    »Nein«, sagte Kivrin. »Nein.«
    »Hat es dann der Teufel geschickt?«
    Es war verlockend, ja zu sagen. Wo man nicht an eine Strafe Gottes geglaubt hatte, da hatte man Satan für den Schwarzen Tod

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