Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
Vom Netzwerk:
zu füttern oder die Weidetore zu öffnen. Achtzigtausend Tote in Siena, dreihunderttausend in Rom, mehr als hunderttausend in Florenz. Die Hälfte von Europa.
    Endlich kam der Pförtner mit einem großen Schlüsselring heraus und zum Tor. »Einen Augenblick, Sir«, sagte er, während er den richtigen Schlüssel heraussuchte.
    Kivrin war sicherlich zum Absetzort zurückgekehrt, sobald sie bemerkt hatte, daß es das Jahr 1348 war. Dort würde sie die ganze Zeit ausgeharrt und gewartet haben, daß das Netz geöffnet wurde, in Angst und Sorge, daß sie nicht gekommen waren, sie zurückzuholen.
    Wenn sie es bemerkt hatte. Wie konnte sie in einem entlegenen Dorf wissen, daß sie sich im Jahr 1348 befand? Badri hatte ihr gesagt, daß mit einer Verschiebung von mehreren Tagen zu rechnen sei. Sie würde das Datum mit den Adventsonntagen verglichen und gedacht haben, daß sie genau dort sei, wo sie sein sollte. Sie konnte überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen sein, nach dem Jahr zu fragen. Sie würde glauben, daß es 1320 sei, und unterdessen brach ringsumher die Seuche aus.
    Das Schloß schnappte auf, und Dunworthy stieß das Scherengitter weit genug auf, um sich durchzuzwängen. »Bringen Sie die Schlüssel mit«, sagte er zum Pförtner. »Ich brauche sie zum Aufsperren des Laboratoriums.«
    »Dieser Schlüssel ist nicht hier«, sagte der Pförtner und verschwand wieder in der Loge.
    In der Tordurchfahrt war es eiskalt, und der Regen fegte schräg herein, noch kälter als vorher, wie es ihm schien. Dunworthy stand zitternd bei der Tür des Pförtnerhauses, versuchte etwas Wärme aus dem Inneren aufzufangen und rammte die geballten Fäuste in die Jackentaschen, um das Zittern zu unterdrücken.
    Er hatte sich Sorgen wegen der Diebe und Halsabschneider gemacht, dabei war sie in einer Zeit, wo man die Toten auf den Straßen gestapelt, wo man in der Panik und allgemeinen Hysterie Juden und Fremde als Brunnenvergifter verdächtigt und auf Scheiterhaufen verbrannt hatte.
    Er hatte sich gesorgt, daß Gilchrist keine Parameterüberprüfungen hatte vornehmen lassen, hatte Badri mit seiner Sorge angesteckt, und Badri, schon fiebernd, hatte neue und falsche Koordinaten eingegeben.
    Der Pförtner blieb ungewöhnlich lang aus, und Dunworthy begann zu argwöhnen, daß er Gilchrist warnte.
    Er wollte zur Tür hinein, doch im gleichen Augenblick kam der Pförtner mit einem Schirm heraus und klagte über die Kälte. Er bot Dunworthy die Hälfte des Schirms.
    »Ich bin schon durchnäßt«, sagte Dunworthy und schritt vor ihm her über den Hof.
    Die Tür zum Laboratorium war mit einem gelben Plastikstreifen versiegelt. Dunworthy riß ihn ab, während der Pförtner seine Taschen nach dem Schlüssel für die Alarmanlage durchsuchte und dabei den Schirm von einer Hand in die andere nahm.
    Dunworthy blickte über die Schulter zu Gilchrists Räumen hinauf. Von dort konnte man das Laboratorium sehen, und im Wohnzimmer brannte Licht, aber Dunworthy konnte keine Bewegung ausmachen.
    Der Pförtner fand den flachen Schlüssel, der die Alarmanlage ausschaltete. Er tat es und begann nach dem Türschlüssel zu suchen, den er kurz zuvor eingesteckt hatte. »Ich bin nicht sicher, ob ich Ihnen ohne Mr. Gilchrists Genehmigung das Laboratorium aufsperren sollte«, sagte er.
    »Mr. Dunworthy!« rief Colin über den Hof. Sie blickten beide auf. Colin kam durch den Regen gerannt, das in den Schal gewickelte Buch unter den Arm geklemmt. »Sie hat – Teile – von Oxfordshire – erst im März erreicht«, keuchte er. »Verzeihung. Ich bin – die ganze -Strecke gerannt.«
    »Welche Teile?« fragte Dunworthy.
    Colin reichte ihm das Buch und bückte sich, die Hände auf den Knien, um wieder zu Atem zu kommen. »Steht nicht – darin.«
    Dunworthy wickelte den Schal vom Buch und schlug es an der Stelle auf, die Colin mit einem Eselsohr angemerkt hatte, aber seine Brillengläser waren so mit Regentropfen beperlt, daß er nicht lesen konnte, und die aufgeschlagenen Seiten waren im Nu naß.
    »Darin steht, daß die Pest in Melcombe ausbrach und sich nordwärts nach Bath und gegen Osten ausbreitete«, sagte Colin. »Sie war um Weihnachten in Oxford, aber Teile von Oxfordshire erreichte sie erst im Frühling, und ein paar abgelegene Dörfer blieben bis Juli verschont.«
    Dunworthy starrte wie blind auf die unleserlichen Seiten. »Das sagt uns nichts«, murmelte er.
    »Ich weiß.« Colin richtete sich auf, stieß schnaufend den Atem aus. »Aber wenigstens steht nicht

Weitere Kostenlose Bücher