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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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vor dem Gesicht gefaltet.
    Pater Roche legte Rosemund auf den Strohsack, und Eliwys deckte sie zu. »Wo ist mein Vater?« fragte Rosemund heiser durch die schnatternden Zähne. »Warum ist er nicht hier?«
    Agnes kam vom Dachboden herunter. Sie würde jeden unbeobachteten Augenblick benutzen, um auf Rosemunds Strohsack zu klettern oder den Sekretär anzugaffen. Es mußte ein Mittel geben, um Agnes sicher von den Kranken fernzuhalten. Kivrin sah sich suchend um, dann zog sie Bänke heran, legte sie auf die Seiten und stellte sie zu einer Barrikade zusammen. Pater Roche und Eliwys kamen ihr zu Hilfe, und zusammen hoben sie die Tischplatte von den Schragen und lehnten sie gegen die Bänke.
    Eliwys setzte sich zu Rosemund. Das Mädchen schlief, und der rötliche Widerschein des Herdfeuers spielte über ihr Gesicht und verlieh ihm den trügerischen Anschein von Gesundheit.
    »Ihr müßt auch eine Maske tragen«, sagte Kivrin.
    Eliwys nickte, rührte sich aber nicht von der Stelle. Sie strich Rosemund das wirre Haar zurück und sagte: »Sie war der Liebling meines Mannes.«
    Rosemund verbrachte eine halbwegs ruhige Nacht und verschlief den halben Vormittag. Kivrin warf frische Scheite auf das Feuer und deckte dem Sekretär die Füße auf, damit sie die Hitze fühlten.
    Während des Schwarzen Todes hatte der Leibarzt des Papstes diesen in einen Raum zwischen zwei große Feuer gesetzt, und er hatte nicht die Pest bekommen. Manche Historiker glaubten, die Hitze habe den Pestbazillus getötet, andere meinten, die Feuer hätten die Höhe von ihm ferngehalten. Wahrscheinlicher war, daß ihn die Isolation von seinen höchst ansteckenden Schäflein gerettet hatte, aber es lohnte sich, den Versuch zu machen. Alles lohnte einen Versuch, dachte sie, als sie die schlafende Rosemund beobachtete. Sie warf mehr Scheite ins Feuer.
    Pater Roche ging die Morgenmesse lesen, obwohl der Vormittag schon weit fortgeschritten war. Die Glocke machte Agnes munter, die im Arm ihrer Mutter wieder eingeschlafen war. Nun rannte sie zur Barrikade. »Wer hat die Bänke aufeinandergestellt?«
    »Du darfst nicht an diesem Zaun vorbei«, sagte Kivrin, die einen guten Schritt hinter der Barrikade stand. »Du mußt bei deiner Mutter bleiben oder zu deiner Großmutter gehen.«
    Agnes stieg auf eine Bank und spähte über die Tischplatte. »Ich sehe Rosemund«, sagte sie. »Ist sie tot?«
    »Sie ist sehr krank«, sagte Kivrin in ernstem Ton. »Du darfst uns nicht nahekommen. Geh und spiel mit deinem Wagen.«
    »Ich möchte zu Rosemund«, sagte sie und hob ein Bein über die aufgestellte Tischplatte.
    »Nein!« rief Kivrin. »Geh und setz dich zu deiner Großmutter!«
    Agnes starrte sie verblüfft an, dann brach sie in Tränen aus. »Ich möchte zu Rosemund!« quengelte sie, ging dann aber hinüber und setzte sich schmollend neben Imeyne.
    Pater Roche kam zurück. »Ulfs älterer Sohn ist krank«, sagte er. »Er hat die Beulen.«
    Im Laufe des Vormittags wurden zwei weitere Fälle gemeldet, und einer am Nachmittag. Dieser war die Frau des Verwalters. Alle hatten Pestbeulen oder kleine, samenkornähnliche Gewächse an den Lymphdrüsen, bis auf die Frau des Verwalters.
    Kivrin ging mit Pater Roche zu ihr. Sie stillte ihren Säugling. Das schmale, scharfgeschnittene Gesicht wirkte jetzt spitz, und sie hatte tiefe Schatten unter den Augen. Sie hustete oder erbrach nicht, und Kivrin hoffte, daß die Beulen sich einfach noch nicht entwickelt hatten. »Tragt Leinenbinden als Masken vor Mund und Nase«, instruierte sie den Verwalter. »Gebt dem Säugling Milch von der Kuh. Haltet die Kinder von ihr fern.« Sie hatte keine Hoffnung. Sechs Kinder in zwei kleinen Räumen. Lieber Gott, betete sie, laß es nicht die Lungenpest sein. Laß sie nicht alle krank werden.
    Wenigstens war Agnes sicher. Sie war nicht mehr in die Nähe der Barrikade gekommen, seit Kivrin sie angefahren hatte. Sie hatte eine Weile bei ihrer Großmutter gesessen und Kivrin mit einer finsteren Miene angestarrt, die so wild war, daß es unter anderen Umständen komisch gewesen wäre, dann war sie zum Dachboden hinaufgestiegen, um ihren Wagen zu holen. Sie setzte sich damit an den großen Tisch und vertiefte sich in ihr Spiel.
    Als Rosemund erwachte, bat sie mit heiserer Stimme um Wasser, und sobald Kivrin es ihr gegeben hatte, schlief sie ruhig wieder ein. Selbst der Sekretär schlief, und das leise Röcheln seines Atmens hörte sich wie Schnarchen an. Kivrin setzte sich neben Rosemund, dankbar für die

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