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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Ruhepause.
    Sie hätte aufstehen und Pater Roche mit den Kindern des Verwalters helfen sollen, wenigstens Sorge tragen, daß der Mann die Maske trug und sich die Hände wusch, aber sie fühlte sich plötzlich zu müde und erschöpft, um sich vom Fleck zu rühren. Wenn ich mich nur eine Minute hinlegen könnte, dachte sie, würde mir vielleicht etwas einfallen.
    »Ich möchte Blackie sehen«, sagte Agnes.
    Kivrin fuhr auf und herum, aufgeschreckt aus dem Zustand des Einnickens. Agnes hatte ihren roten Umhang und die Haube angelegt und stand der Barrikade so nahe wie sie sich traute. »Du hast versprochen, daß du mich zum Grab führen würdest, daß ich sehen kann, wo mein Hund ist.«
    »Leise, du wirst deine Schwester wecken.«
    Agnes fing an zu weinen, nicht das laute Winseln, das sie einsetzte, wenn sie ihren Willen durchsetzen wollte, sondern ein stilles Schluchzen. Auch sie hatte ihre Grenzen erreicht, dachte Kivrin. Den ganzen Tag alleingelassen, Rosemund und Pater Roche und ich unzugänglich, alle anderen beschäftigt und zerstreut und ängstlich. Armes Ding.
    »Du hast es versprochen«, sagte Agnes mit bebenden Lippen.
    »Ich kann dich jetzt nicht zu deinem Blackie bringen«, sagte Kivrin freundlich, »aber ich werde dir eine Geschichte erzählen. Wir müssen es aber sehr leise machen.« Sie legte den Finger an die Lippen. »Wir dürfen Rosemund oder den Sekretär nicht wecken.«
    Agnes wischte sich die tropfende Nase mit dem Handrücken. »Erzählst du mir die Geschichte von dem Mädchen im Wald?« fragte sie in ihrem Bühnenflüstern.
    »Ja.«
    »Darf mein Wagen zuhören?«
    »Ja«, flüsterte Kivrin, und Agnes rannte durch die Diele, um das kleine Spielzeugfuhrwerk zu holen, lief damit zurück und kletterte auf die Bank, bereit, die Barrikade zu erklimmen.
    »Du mußt am Boden neben der Tischplatte sitzen«, sagte Kivrin, »und ich werde hier auf der anderen Seite sitzen.«
    »Dann kann ich dich nicht hören«, sagte Agnes, und ihre Miene umwölkte sich wieder.
    »Bestimmt wirst du mich hören, wenn du ganz still bist.«
    Agnes stieg von der Bank und setzte sich an die Tischplatte, stellte den Wagen neben sich auf den Fußboden. »Du mußt ganz still sein«, sagte sie zu ihm.
    Nach einem Blick zu ihren Patienten lehnte Kivrin sich von der anderen Seite gegen die Tischplatte und schloß erschöpft die Augen.
    »In einem fernen Land«, fing Agnes an.
    »In einem fernen Land war einmal ein kleines Mädchen. Es wohnte am Rand eines großen Waldes…«
    »Der Vater sagte: ›Geh nicht in den Wald‹, aber sie war unartig und hörte nicht auf ihn«, sagte Agnes.
    »Sie war unartig und hörte nicht«, sagte Kivrin. »Sie warf ihren Umhang über die Schultern…«
    »Ihren roten Umhang mit einer Kapuze«, sagte Agnes. »Und sie ging in den Wald, obwohl ihr Vater gesagt hatte, daß sie es nicht tun sollte.«
    Obwohl ihr Vater gesagt hatte, daß sie es nicht tun sollte. »Es wird mir an nichts fehlen«, hatte sie Mr. Dunworthy gesagt. »Ich kann auf mich achtgeben.«
    »Sie hätte nicht in den Wald gehen sollen, oder?« sagte Agnes.
    »Sie wollte sehen, was es dort gab. Sie dachte, sie würde nur ein kleines Stück gehen«, sagte Kivrin.
    »Sie hätte nicht sollen«, urteilte Agnes. »Ich würde es nicht tun. Der Wald ist finster.«
    »Der Wald ist sehr finster, und voller Geräusche, die einen das Fürchten lehren.«
    »Wölfe«, sagte Agnes, und Kivrin merkte, wie sie auf der anderen Seite näherrückte, um Kivrin so nahe zu sein wie sie konnte. Kivrin konnte sie vor sich sehen, gegen die Tischplatte geschmiegt, die Knie angezogen, den kleinen Wagen an sich gedrückt.
    »Das Mädchen sagte sich: ›Hier gefällt es mir nicht‹, und kehrte um. Aber es konnte den Weg nicht sehen, so dunkel war es, und plötzlich sprang etwas auf sie zu!«
    »Ein Wolf«, hauchte Agnes.
    »Nein«, sagte Kivrin. »Es war ein Bär. Und der Bär sagte: ›Was tust du in meinem Wald?‹«
    »Das Mädchen hatte Angst«, sagte Agnes mit kleiner, ängstlicher Stimme.
    »Ja. ›Oh, bitte friß mich nicht, Bär‹, sagte das Mädchen. ›Ich habe mich verlaufen und kann meinen Heimweg nicht finden.‹ Nun war der Bär aber ein freundlicher Bär, obwohl er bösartig aussah, und sagte: ›Ich werde dir helfen, den Weg aus dem Wald zu finden‹, und das Mädchen sagte: ›Wie? Es ist so dunkel.‹ ›Wir werden die Eule fragen‹, sagte der Bär. ›Sie kann in der Dunkelheit sehen.‹«
    Sie erzählte weiter, erfand im Sprechen ihre Geschichte

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