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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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kalter Wind.
    »Ich sehe das Dorf!« rief Colin zu ihm herunter.
    Er kam zu dem Jungen und blieb schweratmend stehen. Der Wind war hier noch schlimmer, blies durch den gefütterten Umhang, als wäre er aus Seidenpapier, und trieb langgezogene Schichtwolken über den blassen Himmel. Weit im Süden stieg eine Rauchfahne auf, wurde in einiger Höhe vom Wind erfaßt und bog scharf nach Osten um.
    »Sehen Sie?« Colin streckte den Arm aus.
    Eine leicht gewellte Ebene lag unter ihnen, in gleißenden Schnee gehüllt, der das Auge blendete. Die kahlen Bäume hoben sich schwarz ab, und wo sie Reihen bildeten, ließen sich Fahrwege oder Straßen vermuten. Die da und dort unterbrochenen Baumreihen einer Allee markierten auch die Straße von Oxford nach Bath, welche die verschneite Ebene in gerader Linie durchzog. Zwischen verstreuten Ansammlungen von Bäumen und Büschen zeichneten sich die eckigen Umrisse schneebedeckter Strohdächer ab, und am Horizont lag die Stadt Oxford wie eine Bleistiftzeichnung. Über den dunklen Mauern konnte er die weißen Dächer und den klotzigen Turm von St. Michael erkennen. Vollkommene Stille lag über dem Land, unterbrochen nur vom leisen Sausen des Windes, das sich in Abständen zu bösartigem Fauchen verstärkte.
    »Sieht nicht so aus, als ob der Schwarze Tod schon hier wäre, nicht?« sagte Colin.
    Er hatte recht. Das Land ums alte Oxford lag ruhig und heiter vor ihnen. Es war unmöglich, sich dieses Land von der Pest entvölkert vorzustellen, mit Karren voller hochgetürmter Leichen, die durch die engen Straßen gezogen wurden, die Universität verlassen und mit Brettern vernagelt, und überall die Sterbenden und die Toten. Und genauso unmöglich war es, sich Kivrin irgendwo dort draußen vorzustellen, in einem dieser Dörfer, die man mehr ahnen als sehen konnte.
    »Schauen Sie, dort«, sagte Colin, den Arm nach Süden gestreckt. »Hinter den Bäumen dort.«
    Er kniff die Augen zusammen und versuchte die Umrisse von Gebäuden zwischen den dichtgedrängten Bäumen auszumachen. Dort war ein dunklerer Umriß hinter den schneebedeckten Ästen, der Turm einer Kirche, vielleicht, oder der Klotz eines burgähnlichen Gutshauses.
    »Da ist die Straße, die hinführt«, sagte Colin und zeigte zu einer schmalen, weißgrauen Linie, die irgendwo unter ihnen begann.
    Dunworthy zog die Karte zu Rate, die Montoya ihm gegeben hatte. Es war nicht zu bestimmen, welches Dorf es war, nicht einmal anhand ihrer Skizze, solange sie nicht wußten, wie weit sie vom geplanten Absetzort entfernt waren. Wenn sie sich südlich davon befanden, lag das Dorf zu weit Östlich, um Skendgate zu sein, aber wo er dachte, daß es sein sollte, waren keine Bäume, nichts, nur eine ebene Schneefläche.
    »Na?« fragte Colin. »Gehen wir hin?«
    Es war das einzige Dorf im näheren Umkreis, wenn es ein Dorf war, und es schien nicht weiter als einen Kilometer entfernt zu sein. Wenn es nicht Skendgate war, so lag es doch in der etwa passenden Richtung, und wenn es eines oder mehrere von Montoyas »charakteristischen Merkmalen« aufwies, konnten sie es benutzen, um sich zu orientieren.
    »Du mußt immer und unter allen Umständen bei mir bleiben und darfst mit niemandem sprechen, hast du verstanden?«
    Colin nickte, hatte offensichtlich nicht zugehört. »Ich glaube, die Straße ist in der Richtung«, sagte er und rannte die andere Seite der Anhöhe hinunter.
    Dunworthy folgte ihm. Er versuchte, nicht daran zu denken, wie viele Dörfer es gab, wie wenig Zeit er hatte, wie müde er schon nach diesem bescheidenen Stück Weges war.
    »Wie überredetest du William, daß er die Impfungen für dich arrangierte?« fragte er, als er Colin einholte.
    »Er wollte Großtante Marys Nummern-Code, um die Genehmigungen zu fälschen. Ich wußte, daß er bei den Papieren in ihrer Börse war, und die war in ihrer Einkaufstasche.«
    »Und du weigertest dich, ihm den Code zu geben, wenn er nicht einwilligte?«
    »Ja, und ich sagte ihm, daß ich seiner Mutter von all den Mädchen erzählen würde, die er aufs Kreuz legte«, sagte er lachend und rannte wieder voraus.
    Die vermeintliche Straße, die er gesehen hatte, erwies sich als eine Hecke. Dunworthy weigerte sich, querfeldein durch die Wiesen zu gehen, an die sie grenzte. »Wir müssen auf den Straßen bleiben«, sagte er.
    »Dies ist schneller«, widersprach Colin. »Es ist nicht so, daß wir uns verlaufen könnten. Wir haben das Ortungsgerät.«
    Dunworthy mochte nicht streiten. Er ging weiter und hielt

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