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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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hinaufgehen und bei Badri hineinschauen«, sagte er, »und anschließend im Warteraum sein.«
    Badri schliefe, sagte die Stationsschwester. »Ich würde ihn nicht wecken.«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte Dunworthy und ging hinunter in den Warteraum.
    Colin saß mit untergeschlagenen Beinen am Boden und suchte in seiner Tasche herum. »Wo ist Großtante Mary?« fragte er. »Sie ist ein bißchen sauer, daß ich aufgetaucht bin, nicht?«
    »Sie dachte, du seist wieder in London und in Sicherheit«, sagte Dunworthy. »Deine Mutter erzählte ihr, daß dein Zug in Barton angehalten wurde.«
    »Wurde er auch. Alle mußten aussteigen und mit einem Gegenzug zurückfahren.«
    »Und du gingst beim Umsteigen verloren?«
    »Nein. Ich hörte diese Leute über die Quarantäne sprechen, und daß diese schreckliche Krankheit ausgebrochen sei und alle sterben müßten und so weiter…« Er entleerte den Inhalt seiner Tasche auf den Boden: Kassetten und ein Taschenvideo, Kleingeld, Kaugummi, ein Taschenmesser, zerknitterte Fahrscheine und ein Paar schmutzige und abgestoßene Laufschuhe. Er war offensichtlich mit Mary verwandt. »Und ich wollte nicht über die Feiertage mit Eric herumsitzen und die ganze Aufregung versäumen.«
    »Eric?«
    »Der Untermieter meiner Mutter.« Er befreite seine große rote Kaugummikugel von anhaftenden Fasern und steckte sie in den Mund. Sie machte eine mumpsartige Beule in seiner Wange. »Er ist absolut nekrotisch«, sagte er kauend. »Er hat diese Wohnung unten in Kent, und da gibt es absolut nichts zu tun.«
    »Also bist du in Barton ausgestiegen. Was hast du dann gemacht? Bist du zu Fuß nach Oxford gegangen?«
    Er nahm den Kaugummi aus dem Mund. Er war nicht mehr rot, sondern von einer fleckig bläulichgrünen Farbe. Colin betrachtete ihn kritisch von allen Seiten und steckte ihn wieder in den Mund. »Natürlich nicht. Barton ist weit von Oxford. Ich nahm ein Taxi.«
    »Natürlich«, sagte Dunworthy.
    »Dem Fahrer sagte ich, daß ich für unsere Schulzeitung über die Quarantäne berichte und Videos von der Blockade machen wollte. Ich hatte meine Kamera bei mir, also war es die logische Erklärung.« Er hielt die kleine Videokamera hoch, um sein Argument zu unterstreichen, dann steckte er sie wieder in die Tasche und begann darin zu graben.
    »Hat er dir geglaubt?«
    »Ich denke schon. Er fragte mich nämlich, in welche Schule ich gehe, aber ich sagte bloß, ganz beleidigt: ›Das sollten Sie aber sehen‹, und er sagte St. Edward’s, und ich sagte: ›Natürlich‹. Er muß mir geglaubt haben. Schließlich brachte er mich bis zu den Absperrungen.«
    Und ich sorgte mich, was Kivrin tun würde, wenn kein freundlicher Reisender des Weges käme, dachte Dunworthy. »Was hast du dann gemacht, der Polizei die gleiche Geschichte aufgebunden?«
    Colin zog einen grünen Wollpullover aus der Reisetasche, legte ihn zusammen und deponierte ihn auf dem Mantel. »Nein. Als ich darüber nachdachte, war es doch eine ziemlich lahme Geschichte, ich meine, was gibt es schon zu sehen, um Aufnahmen davon zu machen? Es ist ja nicht wie ein Feuer, nicht? Also ging ich einfach auf den Posten zu, als ob ich ihn etwas über die Quarantäne fragen wollte, und dann sprang ich im letzten Augenblick zur Seite und unter der Schranke durch.«
    »Liefen sie dir nicht nach?«
    »Natürlich. Aber nicht weiter als ein paar Straßen. Denen kommt es darauf an, keine Leute herauszulassen. Wer hinein will, ist selbst schuld. Und dann ging ich eine Weile herum, bis ich ein Telefon fand.«
    Wahrscheinlich hatte es während dieser Ereignisse die ganze Zeit geregnet, aber Colin hatte nichts davon erwähnt, und ein Taschenschirm war nicht unter den Gegenständen, die er ausgeräumt hatte.
    »Der schwierigste Teil war, Großtante Mary zu finden«, sagte er. Er streckte sich aus und schob den Mantel unter seinen Kopf. »Ich ging zu ihrer Wohnung, aber sie war nicht da. Ich dachte, daß sie vielleicht noch in der U-Bahnstation auf mich wartete, aber die war geschlossen.« Er richtete sich auf, brachte den Wollpullover in eine günstigere Position und legte sich wieder hin. »Und dann dachte ich, daß sie ja Ärztin ist, und ich sagte mir, sie wird im Krankenhaus sein.«
    Er richtete sich abermals auf, brachte den Mantel in eine andere Form, streckte sich aus und schloß die Augen. Dunworthy lehnte sich in dem unbequemen Sessel zurück und beneidete den Jungen. Colin schlief wahrscheinlich schon, nicht im mindesten aufgeregt oder beunruhigt

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