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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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gesucht.« Sie lief zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war, und schrie: »Ich hab sie gefunden! Ich hab sie gefunden!«
    »Nein, hast du nicht«, sagte Rosemund. »Wir alle sahen sie.« Auch sie kam gelaufen und ließ Frau Imeyne und Maisry, die den zerlumpten Umhang um die Schultern gezogen hatte, zurück. Maisrys Ohren waren hellrot, und sie schaute mürrisch vor sich hin, was wahrscheinlich zu bedeuten hatte, daß man sie für Kivrins Verschwinden verantwortlich gemacht hatte, oder daß sie damit rechnete. Vielleicht war es auch nur die Kälte. Frau Imeyne sah zornig aus.
    »Du wußtest nicht, daß es Kivrin war«, rief Agnes und rannte zurück an Kivrins Seite. »Du sagtest, du wußtest nicht genau, daß es Kivrin ist. Ich habe sie gefunden!«
    Rosemund beachtete sie nicht und ergriff Kivrins Arm. »Was ist geschehen? Warum hast du dein Bett verlassen?« fragte sie besorgt. »Gawyn kam, um mit dir zu sprechen, und fand, daß du fortgegangen warst.«
    Gawyn kam, dachte Kivrin entmutigt. Gawyn, der mir genau hätte sagen können, wo der Absetzort ist! Und ich war nicht da.
    »Ja, er wollte dir sagen, daß er keine Spur von deinen Angreifern gefunden hat, und daß…«
    Imeyne kam heran. »Wohin wolltest du?« fragte sie, und es klang wie eine Anklage.
    »Ich konnte den Rückweg nicht finden«, sagte Kivrin ausweichend. Sie hatte sich nicht zurechtgelegt, womit sie ihr Umherwandern im Dorf erklären konnte.
    »Gingst du, jemand zu treffen?« verlangte Imeyne zu wissen, und diesmal war die Anklage unüberhörbar.
    »Wie könnte sie gehen, jemand zu treffen?« fragte Rosemund. »Sie kennt hier niemanden und erinnert sich an nichts von dem, was früher war.«
    »Ich ging die Stelle suchen, wo ich gefunden wurde«, sagte Kivrin, bemüht, sich nicht auf Rosemund zu stützen. »Ich dachte, der Anblick meiner Sachen könnte vielleicht…«
    »Helfen, dich zu erinnern?« sagte Rosemund. »Aber…«
    »Du hättest deine Gesundheit nicht gefährden müssen, um das zu tun«, sagte Frau Imeyne. »Gawyn hat deine Sachen heute hergebracht.«
    »Alles?«
    »Ja«, sagte Rosemund. »Den Wagen und all deine Kisten und Körbe.«
    Die zweite Glocke verstummte, und die erste läutete allein weiter, langsam und gleichmäßig. Sicherlich war es ein Begräbnis. In Kivrins Ohren klang es wie das Begräbnis ihrer Hoffnung. Gawyn hatte alles zum Gutshof gebracht!
    »Es ist nicht gut, Fräulein Katherine in dieser Kälte stehen und reden zu lassen«, sagte Rosemund. Sie hörte sich wie ihre Mutter an. »Sie ist krank gewesen, wir müssen sie ins Haus bringen, bevor sie sich erkältet.«
    Kivrin war wie betäubt. Sie konnte nur denken, daß Gawyn alles zum Gutshof gebracht und damit am Absetzort alle Spuren beseitigt hatte. Sogar den zerbrochenen Wagen hatte er fortgeschafft.
    »Du bis schuld daran, Maisry«, sagte Imeyne und gab Maisry einen Stoß, daß sie Kivrin beim Arm nehme. »Du hättest sie nicht allein lassen sollen.«
    Kivrin schreckte vor der schmutzigen Maisry zurück.
    »Kannst du gehen?« fragte Rosemund. Sie gab schon unter Kivrins Gewicht nach. »Sollen wir das Pferd bringen?«
    »Nein, danke«, sagte Kivrin. Irgendwie konnte sie die Vorstellung nicht ertragen, daß sie wie eine eingefangene Ausreißerin auf einem mit Schellen behängten Pferd zurückgebracht würde. »Nein«, wiederholte sie. »Ich kann gehen.«
    Da sie in der Hütte ausgeruht hatte, brachte sie das erste Stück des Weges noch relativ gut hinter sich, doch bald waren ihre Kräfte erschöpft, und sie mußte sich schwer auf Rosemund und Maisrys schmutzigen Arm stützen, und es ging langsam voran. Vorbei an den Hütten und dem Haus des Verwalters und in den Hof. Auf dem Kopfsteinpflaster vor der Scheune lag der ausgegrabene Wurzelstock einer großen Esche; auf ihren verschlungenen Wurzeln sammelten sich die Schneeflocken.
    Imeyne gab Maisry ein Zeichen, die schwere hölzerne Tür zu öffnen. »Sie wird sich mit ihrer Unvernunft den Tod geholt haben«, sagte sie. »Nun wird sie ohne Zweifel einen Rückfall erleiden.«
    Es begann ernstlich zu schneien. Maisry öffnete die Tür. Sie hatte einen Fallriegel wie die kleine Tür am Rattenkäfig. Ich hätte sie freilassen sollen, dachte Kivrin, Geißel oder nicht. Ich hätte ihr die Freiheit geben sollen.
    Maisry kam auf Imeynes Geheiß zurück, um Kivrin beim Arm zu nehmen, aber Kivrin schüttelte den Kopf und ging allein und ohne Hilfe durch die Tür und in die Dunkelheit des Hauses.

 
    ABSCHRIFT AUS DEM

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